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Die Frucht des Speierlings und seine diätetische und phytotherapeutische Bedeutung

Der Speierling (Sorbus domestica), ein seltenes, licht- und wärmebeanspruchendes Gehölz aus der Familie der Rosengewächse (Rosacea), entwickelt, ähnlich wie Apfel- und Birnbaum, Sammelbalgfrüchte mit einem fünffächrigen Kerngehäuse.
Diese Früchte sind die größten innerhalb der Gattung Sorbus, zu der z.B. die Eberesche (Sorbus aucuparia) gehört, und weisen eine beachtliche Vielfalt auf. Sie sind apfel- und/ bis birnenförmig. Die Größe schwankt in der Länge zwischen 15 und 54 mm und im Durchmesser zwischen 12 und 45 mm. Das Gewicht streut zwischen 5 und 50 g. Die durchschnittlichen Einzelfruchtgewichte betragen 10 bis 18 g. Die Ausfärbung ist ebenfalls variabel. Es gibt olivbraune, braune, braunrote, rote, gelbe, grüne, gelbgrüne und teils gesprenkelte Früchte. Meist sind sie gelb bis gelbgrün und an der Sonnenseite rotbackig. Diese rote "Backe" ist hell-, mittel- oder dunkelrot. Solche Früchte haben eine glatte Schale. Früchte ohne "Backe" besitzen hingegen eine rauhe Schale. Die Oberfläche erscheint häufig durch die Anwesenheit heller oder dunkler, großer Lentizellen (Korkwarzen) punktiert. Man spricht dann von "Berostung". Wenn die Schale Schorf zeigt, hervorgerufen durch den Pilz Venturia inaequalis in niederschlagsreichen Sommern, dann liegt "Bereifung" vor.


Unreife Früchte sind immer grün. Die im September und Oktober heranreifenden bilden die oben angeführten Farben. Nach einer Lagerung von 1 - 2 Wochen färbt sich ihre Schale dunkelbraun. Die Konsistenz des Fruchtfleisches ist zunächst hart und fest. Sie wird während des Reifeprozesses weich, teigig, breiig und morsch. Später trocknen die Früchte aus und sind dann recht saftarm. Der Geschmack weist auch Unterschiede auf. Er ist abhängig von der Reife und den Inhaltsstoffen. Die unreifen Früchte schmecken auf Gund eines hohen Gerbsäuregehaltes extrem bitter, herb, zusammenziehend und hinterlassen einen pelzigen Film auf der Zunge. Bei reifen Exemplaren werden die Gerbstoffe abgebaut und hohe Zuckergehalte treten hervor. Die Früchte sind dann wohlschmeckend, fadsüßlich, fast wie Apfelsaft und besitzen ein bratapfelähnliches Aroma. Es ähnelt denen von Mispeln. Es gibt aber auch solche, die nach Birnen duften. Die Speierlingsfrüchte sind wertvoller als häufig angenommen wird. Bei den Inhaltsstoffen sind fünf Komponenten essentiell: Phenole, Zucker, Fruchtsäuren, Mineralstoffe und Prolin.
Die Phenole (6 - 25 g/ kg Frucht bzw. 26 - 45 g/ l Saft) bilden die Bitterstoffe. Hauptvertreter sind (+)Catechin und (-)Epicatechin. Weiterhin kann Procyanidin B2 genannt werden. Der Zuckergehalt wird mit 95 - 150 g/ l Saft angegeben. Er kommt hauptsächlich durch Glukose (50 g/ l) und Fruktose (80 - 100 g/ l) zustande. Sorbit, ein Zuckeralkohol, ist mit 5 - 7 g/ kg bzw. 8 - 18 g/ l Saft enthalten. Der Gesamtsäuregehalt beträgt 10,5 - 17,5 g/ kg bzw. 10,5 - 19 g/ l. Der pH-Wert liegt zwischen 3,5 und 4,0. Es handelt sich insbesondere um Apfelsäure (11,5 - 17,5 g/ kg oder g/ l). Nachgewiesen wurden außerdem Wein-, Zitronen- und Sorbinsäure. Die Mineralstoffe ähneln in ihren Mengen denen anderer Wildobstarten. An erster Stelle ist Kalium (K2O) mit 2250 - 2750 mg/ l zu nennen. Calcium (CaO) und Phosphat (PO4Å» Å» Å») sind mit je 300 mg/ l festgestellt worden. Von Natrium können 25 - 40 mg/ l vorhanden sein. Schließlich soll auch Sulfat vorkommen. Speierlingssaft hat höchste Prolingehalte (163 - 720 mg/ l) zu verzeichnen. Prolin ist eine Aminosäure. Im Vergleich dazu liegt der Apfelsaft nur bei 8 mg/ l.
Phenol- und Zuckergehalte der Früchte sind unterschiedlich hoch während der fortschreitenden Fruchtreife und wirken sich auf deren Geschmack und Verwendung aus. Sie variieren außerdem von Baum zu Baum. Bis zur Vollreife ist eine Zunahme festzustellen. Danach findet ein schneller Abbau der Phenole statt. Der Abbau der Zucker dagegen vollzieht sich nur langsam. Während des Reifeprozesses vermindert sich der Gerbsäuregehalt bis auf 0,03 %. Der fast vollständige Abbau ist etwa zwei Wochen nach der Vollreife abgeschlossen. Die Früchte sind dann frei von Bitterstoffen, aber immer noch gehaltvoll an Zuckern. Der Speierling kann dem Wildobst zugeordnet werden. Er wird nicht im Erwerbsanbau kultiviert. Vorhandene Bestände in der freien Landschaft, auf öffentlichen Grünflächen und in Privatgärten werden nur teilweise von Liebhabern oder fruchtverwertenden Betrieben beerntet. Im Gegensatz zur heutigen Zeit hatte die Speierlingsfrucht früher eine weitaus größere Bedeutung. So war z. B. im Mittelalter (792/ 793) in der Landgüterordnung "Capitulare de villis" Karls des Großen die Anpflanzung vorgeschrieben und auch im Klosterplan von St. Gallen (ca. 816) wurde das Gehölz aufgeführt.

Die Hauptverbreitungsgebiete des Speierlings liegen in den Adria-Anrainerstaaten Italien, Albanien, Griechenland und im ehemaligen Jugoslawien sowie im Burgenland (Österreich), in Ungarn und im Süden der Karpaten (Slowakei). Weitere Verbreitungsschwerpunkte bilden die nordspanischen und französischen Mittelmeer-Küstenregionen, das Rhonetal sowie ein breites Band von der französischen Atlantikküste bis nach Thüringen. Schwerpunkte liegen im Rhein-Main-Gebiet, in Baden-Württemberg und im bayerischen Unterfranken. In Deutschland gibt es höchstens noch 3500 - 4000 Exemplare. Die verbliebenen Vorkommen sind meist überaltert. Deshalb wurde diese Gehölzart auch zum "Baum des Jahres 1993" gewählt. Die reifen Früchte eignen sich auf Grund des süßlichen Inhaltes zum Frischverzehr. Zweckmäßig zur Aufbewahrung ist eine luftige, trockene Lagerung von 1 - 2 Wochen der noch unreifen Früchte. Auch durch Frosteinwirkung erlangen sie eine teigige Konsistenz und der bitter-herbe Geschmack verschwindet.

Seit altersher schätzte man die Früchte sowohl in rohem als auch in weiterverarbeitetem Zustand. Die reifen, weichen galten als wertvolles Obst. Vor allem aber wurde die heilkräftige Wirkung der unreifen bis reifen Exemplare gelobt. Sie galten wegen ihres adstringierenden Effektes als Heilmittel in der Volksmedizin gegen Störungen der Magen- und Darmfunktion sowie gegen Blutungen. Es hieß, der Verzehr lindere Cholera, Ruhr, Diarrhoe, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Wundschmerz und Frauenleiden. Weiterhin wurden die Möglichkeiten der Saft- und Alkoholgewinnung entdeckt. Die Inhaltsstoffe bedingen verschiedene Wirkungen, insbesondere eine erhöhte Haltbarkeit. Man kann die rohen, reifen Speierlingsfrüchte auslutschen. Schale und Kerngehäuse mit Samen werden ausgespuckt. Die Früchte können aber auch getrocknet werden, zumeist an der Sonne nach vorherigem Halbieren. Oft werden sie anschließend gemahlen, gerieben oder geschrotet. Zur Wiederherstellung der normalen Darmfunktion wurden früher getrocknete Früchte eingesetzt. Von der Beimischung getrockneter, gemahlener Früchte zu Gerstenmehl berichtete Dioskorides (60 n. Chr.). Ein Bad aus einer Abkochung der Früchte und Blätter des Speierlings wurde in der Renaissance als Heilmittel empfohlen. In der bulgarischen Küche verwendet man heute noch reife Früchte wie Mispeln als Beilage, wofür sie manchmal süßsauer eingelegt werden. In einem Rezept aus dem Buch von Friedrich und Schuricht "Seltenes Kern-, Stein- und Beerenobst" (1985) werden die reifen Früchte als "gebackene Speierlinge" für eine Nachspeise angepriesen: "Früchte mit Zucker und Zimt bestreuen und in einer gefetteten Backform backen. Gebackene Früchte mit Bienenhonig und kleingehackten Walnüssen nach schweren, fettigen Menüs servieren". Man kochte sie früher mit Honig ein und verarbeitete sie zu Mus, Marmelade und Konfitüre. Einige ganze Früchte oder Saft wurden Obstkonserven zugegeben, um sie haltbarer zu machen und das Aroma zu steigern. Diese Gewohnheit geriet auf Grund moderner Einweckmethoden in Vergessenheit. Der nicht vergorene Saft aus den unreifen und reifen Früchten wird als Speierlingsmost, -saft, Preßsaft oder "Scheidesaft" bezeichnet. Aus diesem stellte man Essig, Brannt- oder Obstwein her oder verwendete ihn als Zugabe zu Wein und Obstwein.

Die Verarbeitung des Mostes zu einem reinen Speierlingswein ist eine Ausnahme. Den zunächst ausnehmend starken und scharfen Wein kann man pur nicht trinken. Er brennt und kratzt in der Kehle wie Salzsäure. Jedoch nach einer Lagerung von 4 - 5 Jahren ist der Wein weniger stark, klar, trinkbar. Er soll dann ein vorzüglich schmeckendes Getränk sein, das allerdings die Bewegungsfähigkeit der Glieder auffallend schnell und kräftig beeinträchtigt.
Die Verwendung des Preßsaftes als Beigabe zum Wein ist seit Jahrhunderten bekannt. Vermutlich war sie schon in der Antike und im Mittelalter geläufig. Verbreitet war die Obstweinbereitung auf diese Weise im 18. Jahrhundert in der Provence/ Frankreich und in Deutschland. Die Nutzung des Speierlingsmostes aus unreifen, harten Früchten als Zusatz zum Apfelwein ist sicher die bekannteste und hat auch heute noch die größte Bedeutung. Der Preßsaft dient zur Qualitäts- und Haltbarkeitsverbesserung. Die Herstellung von Branntwein, Obstler und Schnaps aus Speierlingssaft ist seit der Antike bekannt. Deren Genuß wurde zur Linderung von Magenschmerzen empfohlen. Solche Destillate ("Brände"), die in Deutschland "Sperbelschnaps" und in Frankreich "Sorbette" genannt werden, besitzen einen unverwechselbaren, feinen, zarten und arttypischen Duft. Sie können mit einem Zwetschgenschnaps oder Kirschgeist verglichen werden. Heutzutage wird gelegentlich, aber fast nur noch von Privatpersonen, für den Eigenbedarf destilliert. Gewerbliche Unternehmen finden sich in Frankreich, wo ein starker Schnaps gebrannt wird, in Luxemburg (Nommern), Bruttig-Frankel/ Mosel und in Freudenberg/ Main.

Claudia Trageser *), Heinrich Dapper

*) Auszüge aus einer Diplomarbeit, die in der Technischen Fachhochschule Berlin im Fachbereich 11 1993/ 94 angefertigt wurde.

entnommen den BERLINER HEILPRAKTIKER NACHRICHTEN
 




 
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