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Helmut Magel, Wuppertal

Essen, Arbeiten, Schlafen

 

Überlegungen zum Yin-Yang-Rhythmus im Verlauf von Tag und Nacht

 
 

 

Der Mensch lebt zwischen Himmel und Erde. Er nimmt teil am ständigen Kreislauf der himmlischen Energien (Sonne, Wetter, Luft - Yang) und irdischen Energien (feste und flüssige Nahrung, Wasser, Pflanzen, Tiere - Yin) und ist selbst Teil davon. "In Wahrheit sind wir eine Ausweitung des Universums. (...) Was immer außerhalb von uns geschieht, geschieht auch in uns. Wir sind eine Ausweitung der kosmischen Energie" (Worsley, S. 18). Je gleichmäßiger die Energien  Qi und Xue in uns zirkulieren, je mehr wir uns dem Kreislauf zwischen Himmel und Erde anpassen und im Einklang mit ihm befinden, desto gesünder und gelassener werden wir sein. Zur Pflege des Lebens gehört die Einstimmung des eigenen Lebensrhythmus auf den Rhythmus des Kosmos, der Natur (vgl. dazu Dschuang Dzi: Der Koch).

Im Einklang mit den kosmischen Energien heißt Wohlbefinden im physiologischen als auch sozial-psychologischen Sinn. Statt - so könnte man sagen - überall gegenzulaufen wird der Mensch Klippen elegant umschiffen, tolerant sein und die positiven Seiten sehen können. Insbesondere Heilkundige sollten allen Menschen gegenüber eine Haltung von Güte und Mitgefühl entwickeln, wie dies Lama Gangchen Tulku Rimpoche in den "Vier unermäßlichen Gedanken" formuliert hat:

Mögen alle Wesen Glück erfahren und die Ursachen von Glück.
 Mögen alle Wesen frei von Leiden sein und den Ursachen des Leidens.
 Mögen alle Wesen Glück erfahren, das völlig frei von Leiden ist.
 Mögen alle Wesen in Gleichmut leben, ohne Anhaftung oder Abwehr,
 nicht nah den einen und fern den anderen.

 (Aus Alfredo Baratti: Von Einsicht, Hoffnung und Wohlergehen. In: DAO 2/91, S. 51)

Im folgenden möchte ich einige Überlegungen und Erfahrungen darlegen, die mit dem Kreislauf der Natur zusammenhängen. Diese Zusammenhänge lehren uns einiges über uns selbst und über die Natur und geben uns einen Sinn für das rechte Maß.
 
 
 
 

Der circadiane Rhythmus

Die meisten Lebewesen und auch die Menschen sind verschiedenen Rhythmen unterworfen. Die Schlaf-Wach-Zeit-Phasen folgen alle einem 24-Stunden-Zyklus, zirkadianer Rhythmus genannt. Der Taktgeber kann die Temperatur sein oder das Licht oder besser: die Hell-Dunkel-Perioden. Selbst dann, wenn ein Lebewesen in totaler Dunkelheit oder immerwährendem künstlichem Licht gehalten wird, bleibt sein Rhythmus erhalten. Die Zykluslänge weicht dann allerdings oft von 24 Stunden ab, ist aber für jede Spezies konstant. "Die 24stündige Periode, welche durch die regelmäßige Umdrehung unseres Erdkörpers allen seinen Bewohnern mitgeteilt wird, zeichnet sich besonders in der physischen Ökonomie des Menschen aus. In allen Krankheiten äußert sich diese regelmäßige Periode, und alle anderen so wunderbar pünktlichen Termine in unserer physischen Geschichte werden im Grunde durch diese einzelne 24stündige Periode bestimmt" (Hufeland, S. 19).

Das Tai Ji-Symbol zeigt uns den Kreislauf von Yin und Yang. Indem Yin und Yang sich polar ergänzende Aspekte natürlicher wie sozialer Phänomene (Porkert: "Normkonventionen") sind, kann sich der Kreislauf von Yin und Yang auf ein Leben als ganzes, auf ein Jahr, auf einen Tag, auf eine Stunde beziehen. So wird das große Tao der Natur definiert:

- im Frühling (Yin im Yang) wird die Energie geboren (Ying-Qi kommt an   die Oberfläche);
- im Sommer (Yang im Yang) wächst sie;
- im Herbst (Yang im Yin) nimmt sie ab (Ying Qi fließt mehr im Inneren);
- im Winter (Yin im Yin) verbirgt sie sich (Ying Qi fließt tief im Körper).

Das ist die normale Energie des Himmels. Auch die Energie des Menschen folgt dieser Entwicklung. Beginn und Ende des Yin und Yang des Menschen haben ebenfalls vier Jahreszeiten. "Zeit bedeutet sowohl die Tages- und die Jahreszeit als auch die Zeit im Laufe eines Lebens, endlich auch die Zeit, in der man lebt, die "Kulturzeit", das Saeculum. Zur Unzeit etwas zu tun oder zu versäumen bedeutet also entweder seine Energien und Möglichkeiten sinnlos einsetzen, verausgaben oder, im Gegenteil, eine Möglichkeit, Freiheit ungenutzt lassen" (Porkert, II, S. 16). Zeit ist nicht etwas gleichförmig und unverändert dahinfließendes, vielmehr weist jeder Augenblick für jedes Wesen eine spezifische und einmalige Qualität auf. So kann man verstehen, "warum wir uns zu bestimmten Zeiten des Jahres schlechter fühlen als in anderen: weil wir eine Ausweitung des jeweiligen jahreszeitlichen Elementes sind" (Worsley, ebda).

Auch im Verlauf eines Tages gibt es vier Jahreszeiten:

 - der Tagesanbruch ist der Frühling
 - zu Mittag ist Sommer
 - abends ist Herbst
 - Mitternacht ist Winter.

"Wir sind die Jahreszeiten. Wir sind die Elemente. Natur ist außen und innen um uns, in jedem von uns, zu jeder Zeit. Wir sind ein Ebenbild des Universums, wir bewegen uns von Jahreszeit zu Jahreszeit in einem natürlichen, unendlichen Zyklus des Lebens" (Connelly, S. 17).

Das Wechselspiel von Yin und Yang im Tagesverlauf erläutert das Nei Jing folgendermaßen:
"Im Yin ist Yin, im Yang ist Yang. Von der Morgendämmerung bis zum Mittag dauert der Abschnitt des Tages, der dem "Yang im Yang" entspricht, die Zeit vom Mittag bis zur Abenddämmerung gehört ebenfalls zum Yang, aber sie entspricht dem "Yin im Yang"; von der Abenddämmerung bis zum Hahnenschrei handelt es sich um den Yin-Anteil des Tageslaufes gemäß dem "Yin im Yin", und von Mitternacht bis zur Morgendämmerung erstreckt sich der Yin-Anteil des Tages, der dem "Yang im Yin" entspricht" (Nei Jing nach Van Nghi, Kap. 2).

"Am Morgen beginnt die Energie Yang des Menschen ihr Wachstum; daher ist der Geist klar und munter, wenn man sich erhebt. Mittags wird sie größer und triumphiert im Wachsen über die pathogene bioklimatische Energie.
Am Abend wird die Energie Yang des Menschen schwächer. Um Mitternacht konzentriert sie sich im Bereich der Organe. Daher muß man nachts die Anstrengungen meiden und sich gut zudecken, um sich gegen die pathogene Energie zu schützen" (Nei Jing, Kap. 3).

Es werden demnach zwei energetische Zyklen genannt. Der eine Zyklus ist der astrologische Zyklus der Sonne: Sein Anfangspunkt liegt um Mitternacht (Beginn der aufsteigenden Yang-Bewegung), sein Wendepunkt liegt am Mittag (absteigender Yin-Schenkel). Der sinnlich wahrnehmbare Zyklus beginnt dagegen mit dem Sonnenaufgang und wendet sich beim Sonnenuntergang: der Tag ist Yang, die Nacht ist Yin.
Die Qualifikation der Zyklen ist notwendig, um das Geschehen therapeutisch adäquat beeinflussen zu können. Wenn z.B. chonische Kopfschmerzen mit dem Wachsen des Yang stärker werden, so handelt es sich nach den Ba Gua (Acht Leitkriterien) um Yang-Kopfschmerzen, werden sie mit dem Anwachsen des Yin gegen Abend stärker, so sind dies Yin-Kopfschmerzen. Auch wenn die energetischen Höhe- und Tiefpunkte der Funktionskreise nicht mit dem Sonnen-Zyklus zusammenfallen, so bildet der Tag- und Nachtrhythmus doch den wichtigsten Bezugsrahmen.

Die Energie-Zirkulation während der 12 Doppelstunden

Die 24 Stunden eines Tages werden in der traditonellen chinesischen Zeiteinteilung in 12 Doppelstunden gezählt, die nach den 12 Erdenzweigen benannt sind und deren Mitte einer vollen Stunde der abendländischen Uhr entspricht. Die 12 Erdenzweige und 10 Himmelsstämme werden als Symbole der "Bewegungen der Energien" benutzt, um die Wandlungen der Fünf Wandlungsphasen und der sechs Energien des Himmels im Laufe eines Jahres bzw. 60-Jahres-Zyklus zu berechnen. Es ist übrigens der astrologische Aspekt, unter dem die 5 Wandlungsphasen/Elemente und die 3 Yin- und 3 Yang- Schichten miteinander verbunden sind.
 
Jede Doppelstunde teilt sich nochmals in Yin und Yang. Yang ist die (aufsteigende) erste Hälfte, Yin die (absteigende) zweite Hälfte der Doppelstunde. Jeder Funktionsbereich, jedes Zang/Speicherorgan und jedes Fu /Hohlorgan hat eine tageszeitliche Zwei-Stunden-Periode der höchsten Aktivität und Entfaltung. In dieser Doppelstunde hat der Funktionsbereich (das "Organ") mehr Energie und arbeitet dynamischer als zu jeder anderen Tageszeit. Auch im Jahresverlauf hat jedes Zang und Fu seine spezifischen Zeiten gesteigerter und verminderter energetischer Entfaltung und Wiederherstellung.
"So sind Yin und Yang der vier Jahreszeiten der wahre Ursprung aller Dinge. Daher bewahren die Weisen die Yang-Energie im Frühling und im Herbst und die Yin-Energie im Herbst und Winter. Handelt man so, so stärkt man die Quelle des Lebens, um mit allen Lebewesen im Kreis von Werden und Wachsen in Harmonie zu leben" (Nei Jing, Kap. 2). Und: "Sich nach Yin und Yang richten, ist Leben; ihm zuwiderhandeln der Tod."

Ein großer Teil der Patienten, der zu mir in die Praxis kommt, ist chronisch krank. Ich habe festgestellt, daß die Patienten deshalb chronisch krank sind, weil sie ihr Leben nicht oder nur unzureichend in der Hand haben, sie verfügen nicht über die Freiheit, zu tun, was die Zeit verlangt oder zu unterlassen, was ihr zuwiderläuft. Sie sind kaum in der Lage, ihre Bedürfnisse zu erkennen und im Einklang mit dem tages- oder jahreszeitlichen Rhythmus zu handeln. Eine Patientin berichtete, daß sie ein Gefühl von Hunger im Magen nicht kenne. Daß sie etwas essen müsse, mache sich an Kreislaufproblemen wie Schwindel bemerkbar. Aber im Magen spüre sie das nicht. Abgesehen davon, daß solche Muster in einen größeren biografischen Kontext des "es nicht merken sollen" eingebunden sind (vgl. die Ausführungen von Alice Miller), hat sich diese Frau abgewöhnt, ihr rhythmisches Gefühl im Hinblick auf regelmäßige Nahrungsaufnahme zu spüren.

Die Bau- oder Nähr-Energie Ying zirkuliert nach einem festen Zeitplan in den verschiedenen Leitbahnen (Jing Luo), die ihr Energiemaximum zu den folgenen Zeiten haben:

3 Uhr bis 5 Uhr - Lungenmeridian (Yin) Metall
5 Uhr bis 7 Uhr - Dickdarmmeridian (Yang)  Metall
7 Uhr bis 9 Uhr - Magenmeridian (Yang) Erde
9 Uhr bis 11 Uhr - Milzmeridian (Yin) Erde
11 Uhr bis 13 Uhr - Herzmeridian (Yin) kaiserliches Feuer
13 Uhr bis 15 Uhr - Dünndarmmeridian (Yang)  kaiserliches Feuer
15 Uhr bis 17 Uhr - Blasenmeridian (Yang) Wasser
17 Uhr bis 19 Uhr - Nierenmeridian (Yin) Wasser
19 Uhr bis 21 Uhr - Kreislaufmeridian (Yin) ministerielles Feuer
21 Uhr bis 23 Uhr - Dreifacher-Erwärmer-Meridian (Yang) ministerielles Feuer
23 Uhr bis 1 Uhr - Gallenblasenmeridian (Yang) Holz
1 Uhr bis 3 Uhr - Lebermeridian (Yin) Holz

(Die Reihenfolge entspricht der Anordnung des Kosmischen Zyklus bzw. des Lo Shu-Quadrates (Wasser - 1/6, Feuer - 2/7, Holz - 3/8, Metall - 4/9, Erde - 5/10) mit Verdoppelung des Feuers in ministerielles und kaiserliches Feuer: Wasser - 1, minist. Feuer - 2 a, Holz - 3, Metall - 4, Erde - 5, kaiserl. Feuer - 2 b, Wasser - 6, usw.)
Diese Doppelstunden-Phasen bedeuten nicht nur eine gesteigerte Leistungsfähigkeit des betreffenden Funktionsbereichs und "sein diagnostisch erkennbares Hervorklingen aus dem Konzert des gesamten Systems, sondern zugleich eine erhöhte Labilität und Anfälligkeit gegenüber störenden, "ablenkenden" d.h. heteropathischen Reizen, eine gesteigerte Empfänglichkeit auch gegenüber therapeutischen Maßnahmen" (Porkert, II, S. 16/17).

Die Doppelstunden

1 - 3 Uhr: Leber
Um 3 Uhr morgens befindet sich der Mensch im Zustand größtmöglicher Ruhe. Das Yin verbirgt das Yang. Das Herz schlägt nur 52 bis 65 mal pro Minute. Blutdruck und Körpertemperatur sinken auf den niedrigsten Wert, wofür der Parasympatikus sorgt (vgl. auch im folgenden Pfugbeil). Der Shen-Aspekt Hun zieht sich nachts in die Leber zurück. Während des Schlafs fließt  auch ein großer Teil des Blutes in die Leber zurück und wird dort gekühlt, sodaß im Körper außen relativ wenig Qi/Blut zirkuliert. Tagsüber, während der körperlichen Bewegung, befindet sich mehr Blut/Qi im Körper und relativ wenig in der Leber. Blut und Qi (Blut ist Transportmittel des Qi) fließen zu den Muskeln, ernähren und befeuchten sie, um ausdauernde Bewegung und Kraft zu gewährleisten. Zwischen 13 und 15 Uhr hat der Funktionsbereich Leber relativ wenig Energie. In dieser Zeit ist ein kurzer Mittagsschlaf angebracht, um das Blut wieder in der Leber zu sammeln.
Der Funktionbereich Leber hat eine enge Beziehung zum Mondzyklus (29 1/3 Tage) und kontrolliert die Menstruation der Frau. Der Mond zieht in allen lebenden Wesen das Wasser, die Säfte, an sich, weshalb zunehmender Mond das Ansteigen des Wassers, der abnehmende Mond das Fallen des Wassers bzw. Austrocknung bedeutet. Die Leber wird vom Wasser der Yin-Niere genährt. "Wasser, das manchmal gemeinsam mit Gefühlen im Körper festgehalten wurde, kann Lethargie und Langsamkeit, Reizbarkeit und die Unfähigkeit, uns selbst zum Ausdruck zu bringen, verursachen. (...) Während der Zeit des Neumondes (wenn Sonne und Mond im gleichen Winkel zur Erde stehen) mit seinen dunkleren Nächten hat unsere Erfahrung den stärksten Yin-Charkater und ist auf unsere Bedürfnisse, auf Kreativität und auf die Erwartung der nächsten Phase des Zyklus ausgerichtet. Bei Vollmond, wenn der Mond nachts das Tageslicht spiegelt (Sonne und Mond stehen dann relativ zur Erde in einem Winkel von 180 Grad), hat unsere Erfahrung den stärksten Yang-Charakter, oft mit hellen und aktiven Nächten, mit Parties und mit weniger Bedürfnis nach Schlaf" (Haas, S.192/93).
Gegen 1 Uhr morgens haben die meisten Menschen oft ihre schönsten Träume.
Um 2 Uhr erneuern sich die Hautzellen besonders rasch, daher heilen Hautwunden über Nacht schneller.

3 - 5 Uhr: Lunge
Gegen Morgen verengen sich die Blutgefäße und der Körper beginnt sich aufzuheizen. Gegen 4 Uhr ziehen sich die Bronchien zusammen, die Atemwege werden enger gestellt. Das ist eine kritische Spanne für alle Patienten, die unter Lungen- und Atemwegserkrankungen leiden.
Um fünf Uhr morgens arbeiten die Nieren auf Sparflamme (5 - 7 Uhr Zeit der geringsten Aktivität) und leiten kaum noch Urin in die Blase. Das verschafft dem Menschen weiterhin Ruhe, denn er muß nicht jetzt schon zur Toilette.

5 - 9 Uhr: Dickdarm - Magen
Der Dickdarm-Funktionsbereich hat in der Zeit von 5 - 7 Uhr die meiste Energie. In dieser Zeit wäre es gut, den Darm zu leeren, zur Toilette zu gehen und Stuhlgang zu haben, um Gifte und Unreines aus dem Körper zu entfernen. Dies gilt auch im übertragenen Sinn; den Tag mit einem "klaren", gereinigten statt "verstopften" Geist beginnen.
Gegen 6 Uhr steigen Blutzucker und Eiweiß (Yang Ming: Säfteproduktion), das Herz beginnt schneller zu schlagen. (Der Blutdruck steigt steil an, erreicht mittags in der Herzzeit von 11 - 13 Uhr seinen Höhepunkt und fällt dann zunächst langsam und am Abend steil ab.) Zusätzlich gibt ein Adrenalin- und Noradrenalinschub den richtigen Start in den neuen Tag. Der Noradrenalin-Spiegel gleicht - etwas nach "vorn" versetzt - dem Rhythmus des Blutdrucks. Dieser morgendliche Aktivitätsschub scheint für den Körper eine kritische Phase zu sein. Bei einer bestimmten Form der Angina pectoris treten die anfallsartigen Herzschmerzen besonders häufig zwischen 4 und 6 Uhr auf. In dieser Zeit "startet" der Energiekreislauf von der Lunge aus in den Leitbahnen - Angina pectoris bedeutet eine Blockade). Herzinfarkte häufen sich zwischen 10 und 12 Uhr (San Jiao und Perikard-Funktionsbereich haben dann am wenigsten Energie).
Die Verdauungsorgane sind gegen 7 Uhr in bester Verfassung, um aus der Nahrung neue Energie zu filtern. Nahrungsaufnahme am Vormittag fördert die Gewichtsreduktion gegenüber der Nahrungsaufnahme am Nachmittag und Abend. Muskuläres Krafttraining ist morgens weniger effektiv als nachmittags, weil die über die Nahrung aufgenommene Energie erst einmal von Milz und Magen verarbeitet werden muß.
Die Thermoregulation des Körpers durchläuft während des Tages ebenfalls in einem bestimmten Rhythmus. "Während des Tages kommt ein Teil unserer Energie an die Hautoberfläche, um uns gegen Kälte zu schützen, während sie sich nachts ins Innere zurückzieht, um unsere Organe zu schützen. Deshalb spürt man morgens, wenn man in einem wenig geheizten Zimmer aufwacht, die Kälte nicht, während man am Abend, wenn man müde ist, dieselbe Temperatur als unangenehm kalt empfindet" (Fisch, S. 23). Das Yang (Wei Qi) entfaltet sich morgens, dem "Frühling" des Tages. Um 9 Uhr erreicht der Körper das Maximum an Kältereizempfindlichkeit, d.h. der Körper entwickelt am meisten und schnellsten Wärme auf einen Kältereiz. Sowohl die Blutdruckreaktion als auch die vasokonstriktorische Reaktion auf Kaltreize sind dann am stärksten (vgl. Hildebrandt). Insofern ist es angebracht, sich morgens nach dem warmen Duschen kalt abzuduschen, um die Elastizität der Poren zu stärken. Der Nebeneffekt kann dabei ein tiefes Durchatmen sein.
Man wird "morgens nicht munter, wenn Sie eine Überfunktion des Magens oder der Milz haben. Zu der Zeit, wenn Sie aufwachen, ist die Überfunktion da, Sie fühlen sich daher wirklich daneben und sind außer Gefecht, bis das Organ durch seine spezielle Zeitspanne gekommen ist" (Worsley, 82).
 

Exkurs: Essen

In dieser Zeit von 7 - 9 Uhr ist der Magen am meisten bereit, Nahrung aufzunehmen, weil er sein höchstes Energie-Niveau des Tages hat. In dieser Zeit sollten wir unser Frühstück einnehmen. Es ist was dran an dem alten Sprichwort: "Iß morgens wie ein Kaiser (also: viel), mittags wie ein König und abends wie ein Bettelmann (also: wenig)." Ich sage meinen Patienten immer: Sie fahren nicht mit ihrem Auto los, wenn der Tank leer ist. Der Vormittag ist die Zeit, in der die meiste Energie verausgabt wird - und der Brennstoff dafür sollte vorher eingenommen werden.
Viele Menschen machen sich nicht bewußt, daß wir physikalisch von der Luft zum Atmen sowie der festen und flüssigen Nahrung leben, so wie der Motor des Autos von Benzin-Gasgemisch und Öl "lebt". Ich verweise auf das chinesische Siegelschrift-Zeichen für Qi = Energie: Oben drei Striche für Wolken oder Dampf ("Himmel"), darunter die in vier Himmelsrichtungen verstreuten vier Reiskörner. Es ist auch möglich, in dem Zeichen einen dampfenden Reistopf zu lesen. Beide Lesarten weisen uns auf die Nahrungszufuhr als Grundlage der Energie hin.
Wenn ich während der Befragung der Patienten auf Probleme mit der Nahrungsaufnahme stoße, frage ich stets: "Essen Sie schnell oder langsam?" Nicht wenige Patienten antworten ohne lange nachzudenken: "schnell"; denn sie wissen das, weil es ihnen eine Reihe von spürbaren  Problemen bereitet. In dem Zusammenhang ist es wichtig, daran zu erinnern, daß die "Mitte", die Funktionsbereiche Milz und Magen, zuständig sind für Assimilierung und Dissimilierung sowohl der festen und flüssigen Nahrung als auch der Informationen, Gedanken, Erkenntnisse und Sinneseindrücke im allgemeinen. Ich habe festgestellt, daß "Schnell-Esser" ebenso schnell lesen, sich viele Informationen "reinziehen", d.h. aufnehmen ohne ausreichend zu kauen. Kauen ist ein Akt der Zerstörung. Die schönste Frucht oder kunstvoll arrangierte Speise muß ich rücksichtslos zerstören, um sie einverleiben zu können. Und doch kann ich die Geschmäcker erst durch ausreichendes Kauen aufschließen - und genießen. Oder aber: ausspeien, was ich nicht mag. Dagegen liegt das unzureichend Zerkleinerte wie ein dicker Stein im Magen - und stößt auf. Die betroffenen Menschen sind anfällig gegenüber Urteilen anderer über sie selbst. Sie neigen dazu, solche Urteile "unzerkaut" aufzunehmen. Sie stoßen ihnen von Zeit zu Zeit - meist zur Unzeit - auf wie "Das schaffst Du nicht!" oder "Bei den Frauen kommst Du doch nicht an!" usw.
Wie viele von uns essen und hören zugleich Radio, sehen fern, gehen über die Straße oder lesen gar dabei. Ich kann meine Aufmerksamkeit nur auf eine Sache richten. Ob etwas gut oder schlecht für mich ist, ob es mir zu Zufriedenheit oder Wachstum verhilft, kann ich nur über einen Prozeß herausfinden, den wir Aufmerksamkeit nennen. "Das Kennzeichen eines Menschen mit Kontrolle über sein Bewußtsein ist seine Fähigkeit, Aufmerksamkeit willentlich auf etwas zu richten, sich nicht ablenken zu lassen und sich so lange zu konzentrieren, bis eine Aufgabe erledigt ist und nicht länger. Und jemand, der dies vermag, genießt gewöhnlich seinen normalen Tagesablauf. (Csikszentmihalyi, S. 51). Auf das Essen bezogen heißt das: Die Aufmerksamkeit kann entweder auf das Essen oder das Aufnehmen von Informationen aus Radio, Fernsehen oder Büchern gerichtet sein, jedoch nicht auf beides zugleich. Wenn ich die Tagesschau einschalte und Filmberichte über Katastrophen, Kriege und Hungersnöte sehe und dabei esse, wird die Aufmerksamkeit von dem angezogen, was momentan am problematischsten erscheint. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich auf entsetzliche Ereignisse, auf Frustratiuon oder Groll, die diese Ereignisse auslösen und geistige Unordnung schaffen, in jedem Fall nicht gut verdaut werden können. Durchaus förderlich für eine gute Stimmung kann natürlich ausgesuchte ruhige Musik sein, die ich zum Essen auflege und erklingen lasse, genauso wie man den Tisch ansprechend decken und nicht zwischen Bücherstapeln oder Hausrat speisen sollte.
Der mangelnde Gebrauch der Zähne beim Essen ist oft verbunden mit wenig ausgeprägter Bereitschaft, aggressiv zu sein, wenn es die eigenen Interessen verlangen. Die betreffenden Menschen gehen lieber einem Steit aus dem Wege.
Ich gebe meinen Patienten in solchen Fällen schriftlich formulierte Hausaufgaben mit:
1.  Essen Sie regelmäßig mindestens dreimal täglich (Frühstück, Mittagessen, Abendessen). Essen Sie täglich einmal warm. Nehmen Sie mittags Ihre Hauptmahlzeit zu sich, essen Sie nicht mehr nach 18 oder 19 Uhr. 2.  Ihr Essen sollte in Ruhe, ohne Diskussionen, ohne Radio, Fernsehen oder Lesen stattfinden.
 3.  Nehmen Sie sich Zeit, Ihr Essen gründlich zu kauen. Sie sollten während der Mahlzeit nichts dazu trinken, sondern durch genügendes Kauen die Speise einspeicheln.
 4.  Kauen Sie pro Mahlzeit einen Bissen so lange, bis er vollständig verflüssigt ist.
Anmerkung zum letzten Punkt: In Anlehnung an Fritz Perls und Paul Goodman schlage ich den Patienten diese Aufgabe als Experiment vor, bei dem sie unterschiedliche Erfahrungen machen können. Man braucht ca. 80 Kaubewegungen dafür, bis der Bissen vollständig verflüssigt ist. Aber manche Patienten haben nach 40 Kaubewegungen nichts mehr im Mund. Dies weist darauf hin, daß sie wenig Kontrolle über ihren Schlund haben und unbemerkt alles mögliche schlucken. Andere werden vielleicht bereits bei der Vorstellung, einen Bissen bis zur vollständigen Verflüssigung zu kauen,  Ekel empfinden. Ihnen empfehle ich, morgens den Griff ihrer Zahnbürste in den Hals zu stecken, um den Würgereiz zu fördern und damit ihre Fähigkeit zur Dissimilation. Anderen wird die Zeit für 80 Kaubewegungen wie eine Ewigkeit vorkommen, und sie werden vielleicht feststellen, wie wenig Zeit sie sich für diese lebensnotwendige Verrichtung nehmen.
Sowohl nach daoistischer als auch konfuzianischer Auffassung sind die Begierden ein wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeit und sollten weder unterdrückt noch gar verstümmelt, wohl aber gelenkt und kanalisiert werden. Wir sollten die Begierden mit Aufmerksamkeit behandeln. Einer Patientin, die infolge Süßigkeitskonsums übergewichtig wurde, riet ich, jedes Stück Süßigkeit mit voller Aufmerksamkeit genußvoll zu essen, jedoch zur selben Zeit nichts anderes zu tun. Als sie nach einer Woche wiederkam, war sie erstaunt darüber, wie anstrengend es für sie ist, bewußt (Süßigkeiten) zu essen und sich darauf zu konzentrieren; andersherum: wieviel und wie oft sie Dinge schluckt, ohne es überhaupt zu bemerken. Die Nahrungszufuhr gerät aus dem Rhythmus.
Die Rede von "gesunder Ernährung" kann - besonders bei ökologisch orientierten Menschen - zu Dogmatismus und Unversöhnlichkeit mit der Welt führen. Wir haben nun mal diese Welt, mit ihr und nicht mit einer anderen wünschbaren müssen wir zurechtkommen. Der fünfjährige Sohn einer Patientin sagte mir, Schokolade esse er nicht, die sei "verstrahlt". Dahinter steckt die nicht einzulösende Hoffnung auf eine reine Welt ohne Giftstoffe. Was hilft es dem Menschen, wenn er sich völlig gesundheitsgemäß ernährt, aber Schaden nimmt an seiner Seele? Ich gebe Stephen T. Chang recht, wenn er schreibt: "Wir können Giftstoffe nicht unser Leben lang meiden. Darum müssen wir Gott für unsere Leber danken, denn die Leber ist ein Giftfilter und eine Entgiftungsmaschine, ohne die wir nicht lebensfähig wären. Wenn die Leber stark und funktionsfähig ist, können wir nahezu alles verkraften. Andernfalls aber werden wir krank und müssen vorzeitig sterben" (Chang, S. 142/43).

9 - 13 Uhr. Milz und Herz
Vormittags ist das Kurzzeitgedächtnis zwischen 9 - 10 Uhr in Höchstform; die beste Zeit für Kopfarbeit. Der Funktionsberich Milz hat sein Energie-Hoch, er ist für das Denken zuständig. "Zu dieser Entsprechung gehören Gedanken, Ideen, Einsichten sowie die Verbundenheit mit unseren eigenen Ansichten und Denkprozessen. Hierunter fallen auch Zwangsvorstellungen, Dogmen, starre Meinungen - jene Ideen, die austrocknen, anstatt zu blühen" (Connelly, S. 73). In der Milz-Zeit ist die analytische Denkfähigkeit auf vollen Touren: beste Zeit für Problemlösungen und Strategie-Planungen.
Wachheit und Sprachfähigkeit  haben ihren "Gipfel": beste Zeit für Verhandlungen, Vorstellungsgespräche, Konferenzen (ab 11 Uhr Herz-Energie-Hoch: "Das Herz regiert die Zunge").
Um 11 Uhr befindet sich der ganze Organismus in einem Leistungshoch, die aus der Nahrung gewonnenen Energien werden von der Milz optimal verteilt.
Mittags funktioniert alles zwar immer noch recht gut, aber eine erste Müdigkeit nach der aktiven Phase kann sich bereits bemerkbar machen.

13 - 15 Uhr: Dünndarm
Gegen 13 Uhr ist ein kurzes Nickerchen günstig. Der Dünndarm arbeitet mit voller Energie und trennt das Klare vom Unklaren. Zur gleichen Zeit hat die Leber die wenigste Energie. Während eines kurzen Mittagsschlafs gibt man dem Blut Gelegenheit, sich in die Leber zurückzuziehen. Wer jedoch durcharbeitet, bringt 20 Prozent weniger Leistung - man "hängt durch". Der Körper steckt in einem Leistungstief. Die Konzentrationsfähigkeit läßt oft so stark nach, daß Fehler unterlaufen. Eine schlechte Zeit für Verhandlungen, therapeutische Behandlungen etc.
 

Exkurs: Arbeit

Es ließe sich hier viel sagen über Zufriedenheit in unserer täglichen Arbeit (vgl. dazu Tarthang Tulku). Ich beschränke mich auf einen Aspekt der Arbeit, der aus der Feng-Shui-Theorie, der chinesischen Geomantie, resultiert. In Gesprächen stelle ich häufig fest, daß Patienten sich auf ihrer Arbeitsstelle einer Reihe unnötiger Beeinträchtigungen aussetzen. Vor kurzem behandelte ich eine junge Frau, die infolge Hexenschuß nicht mehr aufstehen konnte. Es stellte sich heraus, daß sie im Büro mit dem Rücken zu einem zugigen Fenster sitzt und sich nicht vor der kalten Luft schützt. Das kommt sehr häufig vor.
Kürzlich fragte ich eine Patientin, die ich seit längerer Zeit nicht mehr gesehen hatte und die nun wegen Schwangerschaftsproblemen zu mir kam, was denn aus ihren seinerzeit immer wiederkehrenden Erkältungen geworden sei. Sie antwortete, auf meinen Rat hin habe sie ihren Schreibtisch im Büro umgestellt und seitdem sei sie nicht wieder erkältet gewesen. Sie hatte zwischen Türe und Fenster gesessen.
Vor zwei Jahren kam eine Patientin zu mir, die unter dem Streß auf ihrer Arbeitsstelle litt. Sie hatte in einer Arztpraxis am Computer Berichte zu schreiben. Hauptgrund des Stresses war, daß sie mit dem Rücken zur Türe saß, die meist geöffnet war. Der Chef konnte jederzeit unbemerkt hinter ihr erscheinen und sie kontrollieren. Rechts von ihr befand sich ebenfalls eine Türe, durch die jemand eintreten konnte. Ich fragte sie, ob sie je in einem Western-Film gesehen hätte, daß der Held sich - z.B. im Saloon - so plazierte wie sie das in ihrem Büro tat. Wir überlegten gemeinsam, wie sie ihren Schreibtisch umstellen könne, so daß sich nicht ständig jemand unbemerkt hinter sie stellt. Sie sollte es in der Hand haben, sich kontrollieren zu lassen oder nicht. Auf diese Weise haben einige meiner Patienten ihre Arbeitsplätze verändert, diese und sich selbst "sicherer" gemacht. "Feng Shui geht davon aus, daß geopathischer Streß in der einen oder anderen Weise Krankheiten hervorrufen kann oder daß letztlich dieser geopathische Steß Personen anfällig macht für bestimmte Erkrankungen. In diesen Fällen, sobald ein Feng-Shui-Faktor erkannt und korrigiert worden ist, sind andere medizinische Interventionen nicht mehr erfolgreich" (Flaws, S. 28).
Die drei Beispiele mögen genügen um aufzuzeigen, daß es vorteilhaft ist, in der Anamnese an "geomantische" Faktoren zu denken.

15 - 17 Uhr: Blase
Um 15 Uhr (Tai Yang, starke Yang-Konzentration) geht die Arbeit wieder gut voran, wenn auch nicht so leicht wie um 11 Uhr. 15 - 16 Uhr steigt die Wachsamkeit wieder an, das Langzeitgedächtnis erreicht seine höchste Kapazität (Nieren-Blasen-Zeit: Wasser-Element). Der am Vormittag gelernte Stoff bleibt nicht so lange im Gedächtnis wie nachmittags gelernter. Gute Zeit, um zu lernen und z. B. Hausaufgaben machen. Etwa um 16 Uhr ist das Immunsystem zur Höchstleistung fähig, die Tai Yang-Meridiane (Dünndarm/Blase) sind von allen Meridianen am längsten und haben das größte Potential an Wei-Qi, sie sind warm und reagieren schnell. Punkte des Blasen-Meridians eignen sich gut für die Immunstabilisierung, zur Prophylaxe und Prävention gegen Erkältung. Über Akupunkturpunkte des Tai Yang kann in den Monaten Oktober/November Heuschnupfen vorgebeugt werden.
Zwischen 15 - 17 Uhr steigt die Stimmung vom Tief (etwa 4 Uhr morgens) nun auf den Tageshöhepunkt. Man hat festgestellt, daß zwischen 16 - 17 Uhr Streit-Zeit ist: Jetzt sind wir am "kampflustigsten" - gute Zeit, um eine Gehaltserhöhung durchzusetzen oder die Konfrontation mit Widersachern zu suchen. Möglicherweise hat das mit der psychischen Energie des Tai Yang (= Großes Yang) zu tun, dem rebellischen und leidenschaftlichen Potential.
16 - 18 Uhr gipfelt die Geschicklichkeit - Klavierspielen, Briefe tippen, basteln.

17 - 19 Uhr: Nieren
Gegen 17 Uhr wird ein zweites Leistungshoch spürbar. Die Nieren haben ihr Leistungshoch. Von den Nieren heißt es: "Sie beherbergen die Willenskraft und den Ehrgeiz"; "sie erwecken zum Leben, was verborgen und verschlossen ist; sie sind das natürliche Speicher-Organ" (Nei Jing). Wenn das Yin der Niere defizient ist, kann insbesondere in der Nachmittagszeit verstärkt Hitze aufkommen, d.h. das Yin ist zu schwach, das Yang allmählich zu verbergen.
Dem Tagesrhythmus entsprechend beginnt nun die Yin-Zeit: Ab 18 Uhr geht die Körpertemperatur allmählich zurück - ein Signal, Feierabend zu machen. Der Organismus zwingt allmählich zum Abschalten.

19 - 21 Uhr: Kreislauf
Alles wird zwischen 18 und 21 Uhr langsamer, ruhiger - Entspannung ist angesagt. Abendessen, Fernsehen, Schmökern - aber nichts Anstrengendes, Aufregendes mehr, denn die geistigen Kapazitäten lassen nach. Empirisch hat man herausgefunden, daß zwischen 19 - 21 Uhr eine Zeit zum Schmecken und Genießen ist. Die fünf Sinne sind jetzt am leistungsfähigsten - sensorische Erlebnisse können wir am besten genießen. Der Magen hat zu der Zeit sein Energie-Tief, und besonders Übergewichtige haben in dieser Zeit am meisten mit ihren Gelüsten nach Süßem zu kämpfen. Und doch ist dies energetisch die ungünstigste Zeit, ein opulentes Mahl einzunehmen. Der Magen ist zu dieser Zeit am wenigsten in der Lage, Essen aufzunehmen und zu verarbeiten; und während der Yin-Zeit im Tagesrhythmus zieht sich das Yang-Qi nach innen zurück, und mit ihm werden die Funktionen der Organe heruntergefahren. Nicht der (aufbauende) Sheng-Zyklus, sondern der kontrollierende, bewahrende Ke-Zyklus (Le-Mi-Ni-He-Lu-Le) steht nun im Vordergrund.
Es sei im Zusammenhang mit der Zeit des Genießens noch darauf hingewiesen, daß der Perkard-Meridian in einigen Büchern mit "Kreislauf-Sexualität" bezeichnet wird, dem ab 21 Uhr ein weiterer Feuer-Meridian mit seinem Energie-Hoch folgt, nämlich der Dreifache Erwärmer. "Die natürliche Zeit, im Bett zu liegen, und so die natürliche Zeit zu lieben, ist gerade nach Sonnenuntergang, und deshalb sind zweifellos Kreislauf-Sexualität und Dreifacher Erwärmer mit diesen Stunden verbunden" (Connelly, S. 48/49). Essen und Sexualität liegen nicht so weit auseinander. "Essen ist das Sich-paaren-Lassen des Körpers mit der Nahrung, nicht nur, um ein auch physiologisches Bedürfnis zu befriedigen, sondern um Eros sprechen zu lassen. (...) Die Dinge der Liebe und die Dinge des Essens ehren denselben Gott. Das Universum der Liebe und das des Essens verweben sich unaufhörlich. (...) Zwischen dem Tisch und dem Bett, dem Tischtuch und dem Bettuch, vollziehen sich erstaunliche symbolische Verlagerungen, hier wie dort triumphiert die Begierde, sei es, daß sie den Appetit stimuliert oder die Lust erregt" (Chatelet, S. 89).
Zurück zum Physiologischen. Mit abnehmender Körpertemperatur erreicht die tagesrhythmische Warmreizantwort um 21 Uhr ihr Maximum. Setzt man sich um diese Zeit verstärkter Wärme aus, so ist die Schwitzbereitschaft sehr hoch, die Körpertemperatur und damit die thermisch bedingte Durchblutungssteigerung in Haut und Muskeln nimmt stärker zu. Dagegen nimmt die akrale Wiedererwärmungszeit z.B. nach einem kalten Handbad in dieser Zeit ständig ab. Am meisten Gewicht verliert man während eines nächtlichen Saunabesuches. Zum Stichwort Sauna folgendes: Sauna putscht das Herz-Qi auf, die Poren öffnen sich und Herz-Schweiß tritt aus, die Nieren werden angegriffen. Die plötzliche Kälte blockiert das Qi. Man sollte sich gut überlegen, ob dies für die eigene Konstitution verträglich ist.
Gegen 20 Uhr erreicht das Reaktionsvermögen erneut für kurze Zeit eine kleine Hochform ( Perikard-Zeit = Feuer). Auch wenn sich Autofahrer jetzt besonders gut fühlen, folgt bald eine spürbar "lange Leitung" und damit eine erhöhte Unfallgefahr. Menschen mit Nieren-Yin-Leere erleben jetzt ihre aktivste Zeit und beginnen aufzudrehen. Ihr Yang wird nicht vom Yin-"Wiederlager" gebremst.

23 - 1 Uhr: Gallenblase
Gegen 23 Uhr braucht der Körper dringend Bettruhe. Die erste Hälfte des Nachtschlafs bringt den erholsamen Tiefschlaf. Gegen Mitternacht spürt, wer eine schmerzhafte Erkrankung hat und deshalb nicht schlafen kann, seine Schmerzen besonders heftig. Die körpereigenen Hemm-Substanzen, Endorphine und Enkephaline, werden nur noch in geringer Menge produziert. Die Gallenblase gehört zum Shao Yang, das ein Scharnier darstellt zwischen Oberfläche und Innerem. Shao Yang hat eine enge Beziehung zur Bewegung des Qi in Sehnen, Knochen und Muskeln, die wiederum die Knochen umfangen. Wenn das Scharnier Shao Yang nicht funktioniert, kann es zu Schmerzen kommen.

Exkurs: Schlafen

Alle Aktivitäten des Menschen sollten auf den zirkadianen Rhythmus abgestimmt werden. Das Nei Jing sagt, daß der Mensch im Frühling und Sommer spät zu Bett gehen und früh aufstehen soll. Im Herbst soll man früh zu Bett gehen und früh aufstehen, im Winter früh ins Bett und spät, also mit dem Sonnenaufgang, aufstehen, um Kälte zu vermeiden. Störungen des Wach- und Schlafrhythmus wirken sich am ehesten auf den Funktionsbereich Lunge aus, den Beamten, von dem die Ordnung des Rhythmus ausgeht (Schlafen - Wachen, Ausscheidungen, Atmen).
Bevor wir uns zur Ruhe legen, sollten wir zuerst den Geist und dann die Augen beruhigen. Das Yin soll sich entfalten und das Yang beruhigt werden. Es ist ungünstig, kurz vor dem Zubettgehen aufregende Filme im Fernsehen oder das Gemüt aufwühlende Bücher zu lesen. Nicht wenige Menschen schlafen bei angeschaltetem Fernsehen ein. Ebenso sollte man abends nach 18 Uhr nichts mehr essen und dadurch den normalen Schlaf stören. Stimulierende Getränke wie Kaffee, schwarzen Tee, Alkohol sollte man meiden. Man soll seinem Schlafbedürfnis abends rechtzeitig nachkommen. Insbesondere Menschen, deren Leber-Qi gestaut ist, arbeiten oft über ihre Energie-Grenzen hinaus und möchten am liebsten den Tag auf 26 Stunden verlängern. Menschen mit Yin-Mangel im Funktionsbereich Niere werden eher abends aktiv, was auf Dauer zur weiteren Ausszehrung des Yin führt.
Eine junge Frau, die zu mir zur Beratung kam, litt unter Angst und ließ abends das Fernsehen laufen, um nicht in aller Stille, vor der sie sich fürchtete, einzuschlafen. Nachts wachte sie irgendwann kurz auf und schaltete das Gerät ab. Ich konnte sie davon überzeugen, daß sie mit dem Einschlafen jeglichen Einfluß auf den Inhalt dessen, was nachts auf sie eindrang, aufgab und schlug ihr vor, eine für sie angenehme, nicht zu aufregende Musik aufzulegen, um mit dieser einzuschlafen. Sie kaufte sich schließlich eine schöne CD, die sie abends auflegte. Nach einiger Zeit hatte sie soviel Selbstvertrauen gewonnen, daß sie auch dies nicht mehr brauchte.
Bei Einschlafproblemen rate ich zu folgender mentaler Übung: Gehen Sie Ihren Tag in Gedanken von abends nach morgens, also rückwärts, so genau wie möglich noch einmal zurück. Wenn sie den Faden verloren haben, nehmen Sie ihn an der zuletzt erinnerten Stelle wieder auf. Machen Sie nach Möglichkeit vor dem Zubettgehen in aller Ruhe einen kleinen Spaziergang.
Vermeiden Sie Elektrosmog und umgeben das Bett nicht mit Elektroleitungen und -geräten, weil die meßbaren Abstrahlungen der Leitungen sich ungünstig auf unseren Schlaf auswirken. Da sich das Wei Qi nachts in den Funktionskreis Leber zurückzieht, sollte man nicht nackt, sondern mit Nachtwäsche bekleidet schlafen. Dies schützt davor, uns den bioklimatischen Störungen, insbesondere der Kälte, ungeschützt auszusetzen. Das Bett sollte nicht direkt unter dem offenen Fenster stehen und auch nicht im Durchzug. Wieviele Patienten haben Nacken- und Schulterschmerzen, weil sie solche Richtlinien nicht beherzigen!
Eltern klagen oft darüber, daß ihr Schlaf durch Kinder gestört wird, die nachts zu ihnen ins Bett kommen. Ich rate in solchen Fällen, dem Bedürfnis der Kinder nach Nähe zu den Eltern in der Weise Rechnung zu tragen, daß die Eltern eine Schlafunterlage neben ihr Bett legen. Das Kind kann sich nachts mit seiner Zudecke dorthin legen und somit nahe bei den Eltern schlafen. Ich halte es für falsch, wenn Eltern ihr Kind in der Mitte zwischen sich schlafen lassen, weil damit dem Kind die Möglichkeit eingeräumt wird, die Eltern symbolisch und faktisch auseinanderzubringen, worunter einer der beiden Elternteile meist leidet. Ein solcher Einfluß kommt dem Kind nicht zu und überfordert es überdies. Gegenüber ihrem Kind sollen Eltern dokumentieren, daß sie ein Paar und als Paar für es da sind.
Die Länge und Tiefe des Schlafs hängt davon ab, ob der Shen-Aspekt Hun im Leber-Blut oder Leber-Yin verankert ist. Dann erst ist der Schlaf normal, gesund und ohne viele Träume. Daneben hängt der Schlaf ab vom Herz-Blut. Schlafwandeln wäre ein extremes Zeichen, daß Hun nicht verankert und das Leber-Yin in Leere ist.
Man sollte auf dem Rücken schlafen. In den Einfachen Fragen, Kap. 46, wird gesagt, wenn das Lungen-Qi infolge pathologischer Störungen blockiert ist, geraten die Leitbahnen und die Blutgefäße in Fülle und die Person kann nicht auf dem Rücken schlafen. Dies ist häufig bei Asthma der Fall, wenn die Lungen durch Schleim blockiert sind. Oft in Bauchlage zu schlafen, gilt als Leere-Symptom (des Magens). Kann jemand nur auf einer Seite schlafen, zeigt dies einerseits eine Qi-Xue-Leere auf dieser Körperseite oder eine Fülle der gegenüberliegenden Seite an. Der Unterschied läßt sich über den Lungen-Puls ertasten.
Schnarchen ist meist Anzeichen von rebellierendem Qi der drei Fuß-Yang, insbesondere von Schleim, der den Magen-Meridian beeinträchtigt, und Schnarchen und Schlaflosigkeit hervorruft (Einfache Fragen, Kap. 34).
 

 

Exkurs: Hygiene

Im architektonischen Bild des römischen Arztes Galenus (2. Jh. n. Chr.) vom "Haus der Medizin" gab es die beiden Säulen Heilkunst und Hygiene. Nicht nur die antike Heilkunst und Hygiene, sondern ebenso die antike Philosophie widmete den Techniken der Selbstsorge beständige Aufmerksamkeit. Der antike, apollininische Imperativ "Erkenne Dich selbst" war mit der Aufgabe verknüpft, sich um sich selbst zu kümmern. "Das Selbst war etwas, um das man sich zu kümmern hatte, im Hinblick auf sich selbst und im Hinblick auf die Anderen, die Polis" (W. Schmid, S. 250). "Sich um sich zu sorgen heißt in der antiken Kultur der Selbstsorge, sich mit bestimmten Wahrheiten auszustatten, denen gemäß das individuelle Leben zu führen ist" (Schmid, S. 273). Im traditionellen chinesischen Denken steht Shen, der Geist, die "konstellierende Kraft" (Porkert) als jene Kraft, welche aktiv den Aufbau einer Persönlichkeit bewirkt, steuert und ihren zeitlichen Bestand ein Leben lang gewährleitstet. Auch hier kann die Schonung, Erhaltung, "Pflege" des Geistes (Shen) nur durch eine umfassende Pflege der gesamten Persönlichkeit gelingen.
Die Hygiene (zu griech. hygieinos "der Gesundheit zuträglich") als einer der beiden Säulen der Medizin sollte in der Antike den Gesunden anleiten, so zu leben, daß er nicht krank werde, während die Heilkunde (Pharmazie, Diätetik und Chirugie) die Aufgabe hatte, Krankheiten zu lindern. Gegenstand der Hygiene waren die "sex res non naturales", sechs Bereiche zwischen dem Idealzustand der Gesundheit (res naturales) und der bedrohenden Krankheit (res contra naturam), welche gleichsam das Interventionsfeld der hygienischen Aktivität, der (gesundheits)bewußten Lebensgestaltung ausmachten:

-  Licht und Luft (d.h. die natürliche Umwelt),
-  Essen und Trinken,
-  Bewegung und Ruhe,
-  Schlafen und Wachen
-  Ausscheidung und Zurückhaltung von Substanzen,
-  Gemütsbewegungen.

Die galenischen Überlegungen weisen eine erstaunliche Parallelität zu den traditionellen chinesischen Vorstellungen auf (vgl. Müller, S. 82 f.).

 

Schlußbemerkung

In den Ausführungen scheint ein wenig von dem durch, wie ich meine Arbeit als Heilpraktiker und Lebensberater auffasse, indem ich versuche, den Patienten die Traditionelle Chinesische Medizin in ihrem Alltag nahezubringen. Dafür benutze ich auch Erfahrungen anderer - "westlicher" - Naturheilrichtungen sowie psycho-therapeutische Methoden. Maßstab für meine Vorschläge und "Hausaufgabe" für Patienten ist die für sie wahrnehmbare Verbesserung ihrer Situation und Gesundheit. Ich muß herausfinden, wo der Griff ist, an dem die Veränderung am ehesten angepackt und gewagt werden kann. Prinzipiell sollten BehandlerInnen nur das vorschlagen, was sie selbst bereits ausprobiert haben oder praktizieren. Die Chinesische Medizin und Philosophie weist der Sorge um sich selbst und damit der Einordnung des Menschen zwischen Himmel und Erde einen fruchtbaren Weg.

Literatur
Worsley, J. R. : Was ist Akupunktur? Berlin, 1986
Dschuang Dzi: Der Koch. In: ders.: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Aus dem Chin. von Richard Wilhelm, Köln 1969 (1986), Seite 54 f.
Lama Gangchen Tulku Rimpoche: "Vier unermäßlichen Gedanken"  aus: Alfredo Baratti: Von Einsicht, Hoffnung und Wohlergehen. In: DAO 2/91, S. 51
Hufeland, Christoph Wilhelm: Makrobiotik oder Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern (1796), Stuttgart 1958, S. 19
Porkert, M.: Klassische Texte der chinesischen Medizin I ff. In: Chinesische Medizin, München, 1985 ff.
Connelly, Dianne M.: Traditionelle Akupunktur. Das Gesetz der Fünf Elemente, Heidelberg 1987
Neijing Suwen nach Van Nghi (Hoang Ti Nei King So Quenn, Band 1), Uelzen 1977
Neijing Suwen, Kapitel 1 - 30: Wolfgang G. A. Schmidt: Der Klassiker des Gelben Kaisers zur Inneren Medizin. Das Grundbuch des chinesischen Heilwissens, Freiburg i. B., 1993 (Taschenbuch)
Alice Miller
Haas, E. M.: Gesund durch alle vier Jahreszeiten, Bern 1983
Fisch, Guido: Chinesische Heilkunde in unserer Ernährung. Ernährung nach den 5 Elementen und den Prinzipien der Akupunktur, Essen, 1983
Hildebrandt, G.: Chronobiologie in der Medizin. In: Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren, 3/1985, S. 135 ff.
ders.: Chronobiologische Aspekte der Naturheilverfahren. In: Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren, 7/1991, S. 511 ff.
ders.: Gesundheit, Leistungsfähigkeit und rhythmische Ordnung. In: therapeutikum, 6 (12), 1991, S. 628 ff.
Csikszentmihalyi, M.: Flow: Das Geheimnis des Glücks, Stuttgart 1992
Chang, Stephen T.: Das Tao der Ernährung, Genf 1993
Tulku, Tarthang: Die innere Kunst der Arbeit, Basel 1992
Flaws, Bob: Keeping up with the Joneses. In: Journal of Chinese Medicine, London, 35/1991, S. 28
Chatelet, Noelle: Körper und Kost, lettre international 23, Berlin 1993
Pflugbeil, K.J.: Bio-Topping, München
Müller, Ingo Wilhelm: Humoralmedizin. Physiologische, pathologische und therapeutische Grundlagen der galenischen Heilkunst, Heidelberg, 1993
 

Anmerkung:
Die chinesische Zahlensymbolik

Zuletzt möchte ich noch auf einen – zugegebenermaßen eher theoretischen – Zusammenhang hinweisen zwischen den 6 Meridian-Paaren, deren Qi entsprechend der Organzeituhr zirkuliert, und den 5 Wandlungsphasen (Wu Xing). Beide Ebenen we rden im Artikel nebeneinander angesprochen. Ich bin der Meinung, daß beides keine getrennten Konzepte in der TCM sind.
 

 

 
In der chinesischen Zahlensymbolik spiegeln die Zahlen 1 bis 5 die vorhimmlische Entwicklung wider, die mit der 1 (Yang), dem Wasser, beginnt. »Vorhimmel« bezieht sich auf die Zeit der menschlischen Entwicklung vor der Geburt, d.h. bevor der Mensch den Himmel sieht. Im Vorhimmel steht das Wasser als das schöpferische Prinzip am Anfang, das Schöpferische ist wie die Zahl 1 = Yang. Die folgende 2 (Yin) steht für Feuer, 3 für Holz, 4 für Metall und 5 für Erde. Die Energie von Nieren und Herz, von Wasser (1) und Feuer (2), steht am Anfang der Entstehung des Lebens. Dieser »vorhimmlischen« Entwicklung entspricht im Mikrokosmos die embryonale Entwicklung. Erst wenn im Vorhimmel alle Wandlungsphasen entsprechend dem Sheng- (Hervorbringungs-) Zyklus ausgebildet sind, beginnt – mit der Geburt – der eigentliche Lebenszyklus, der dem Nachhimmel angehört.
In diesem Augenblick erfolgt eine Umpolung: Während das Wasser im Vorhimmel der ungeraden Zahl 1 (Yang) entsprach, kommt ihm jetzt im erneuten zyklischen Durchlauf der manifesten Welt die gerade Zahl 6 (Yin) zu. Das schöpferische Yang tritt in das empfangende Yin ein: Der vorhimmlischen Welt entsprechen die Zahlen von 1 bis 5. Hieran schließt sich der Übergang zur nachhimmlischen Welt an: Wasser = 5 + 1 = 6 (Yin), Feuer = 5 + 2 = 7 (Yang) usw. Wasser (Niere) und Feuer (Herz) bilden die vertikale Achse, beide Wandlungsphasen sind in der Shao-Yin-Schicht vereint. Das Shao Yin stellt die Lebensachse, das Scharnier dar, das Shen (Geist) und Jing (Essenz), d.h. Geist und Soma, miteinander verbindet. Aber »Da-sein« ist auch: »etwas tun«, Aktivität. Beides kommt dem Holz und Metall zu: Frühling und Herbst. Das Holz ist das Emporsteigende und das Metall das Absinkende. Der Sommer ist zu heiß und der Winter zu kalt, deshalb finden Aktivitäten meist im Frühling und Herbst statt. Im Schnittpunkt beider Linien liegt das Zentrum, liegen Milz und Magen. Die Milz ist das zentral gelegene Organ. »Es ernährt die vier Seiten«, heißt es. Sie ist der Drehpunkt aller anderen Organe. »Befindet sich die Milz-Energie in Leere, so stört sie das Gleichgewicht der anderen Organe.« Es sind die 6 himmlischen Energien (Liu Qi) und die 5 Wandlungsphasen (Wu Xing), die wechselseitig die Bewegung von Qi und Xue hervorbringen. Die sechshimmlischen Energien sind den 6 Leitbahnpaaren zugeordnet, d.h. jede der 3 Yang- und 3 Yin-Paare ist besonders empfindlich gegenüber einer der 6 himmlischen Energien. Wenn man die Zang und Fu unter dem Gesichtspunkt der 5 Wandlungsphasen betrachtet, sind sie physiologisch miteinander verbunden über ihre Innen-Außen-Beziehung, den Sheng- bzw. Hervorbringungs-Zyklus sowie den Ke- bzw. Bändigungs- oder Kontroll-Zyklus. Eine andere Betrachtungsweise ist die der 6 Energie Schichten (Liu Jing), denen die 6 himmlischen Energien zugeordnet sind. Sie sind von der Oberfläche des Körpers in die Tiefe gestaffelt wie Schalen einer Zwiebel oder wie Türen, deren bestimmende Momente das Scharnier, die Außen- und die Innenseite des Türblattes sind. Das Netzwerk der Meridiane kann mit einem Kanalsystem verglichen werden, das unterschiedliche Regionen des Körpers topografisch miteinander verbindet und zugleich alle Zang und Fu mit Qi und Blut versorgt.
Mit der Geburt des Menschen werden die beiden Funktionen des Drei-Erwärmers und des Kreislaufs/Perikards aktiv und ergänzen die Feuer-Phase um zwei weitere Organe bzw. Funktionen, die zum nachhimmlischen Feuer gehören. Die Arbeit des Drei-Erwärmers besteht in der Verteilung und Aktivierung des Yuan-Qi, und diese Arbeit beginnt mit der Geburt.
Das kaiserliche Feuer (Herz/Dünndarm) übermittelt die Shen-Energie und ist neutraler oder mehr Yin. Das ministerielle Feuer stellt das durch Wandlung aus dem Holz (Gallenblase > Perikard; Leber > Kreislauf) entstandene Feuer dar. Die enge Beziehung zwischen dem 5er- und 6er- System wird in der grafischen Anordnung deutlich. Ordnet man die zu einer Wandlungsphase gehörenden Funktionsbereiche kreisförmig an, so läßt sich leicht die Koppelung der 3 Yin und 3 Yang erkennen: Das ministerielle Feuer (2) ist mit dem Holz gekoppelt (3), das Metall (4) mit der Erde (5) und das kaiserliche Feuer (6) mit dem Wasser (1). Die Reihenfolge 1 - 6 entspricht dem kosmologischen Zyklus (mit dem doppelten Feuer) der Wu Xing.
Jeweils vier hintereinander liegende Erdenzweige bilden je eine gekoppelte Yin- und Yang-Schicht. Unter Beibehaltung der Reihenfolge der Wandlungsphasen von 1 - 5 entsteht somit durch das Hinzutreten einer weiteren deutlich getrennten Feuer-Phase ein Zyklus von 6 Wandlungsphasen. Die um das zweite, nachhimmlische Feuer erweiterte Reihenfolge ergibt in einer Kreisform den Zyklus der Organzeituhr, deren jede Doppelstunde einem Erdenzweig entspricht. Die Organzeituhr stellt die biorhythmische Zirkulation von Qi und Blut im menschlichen Organismus während der Doppelstunden des Tages dar.
 
 

 

Dünndarm  Blase  Kälte  Tai Yang
Dickdarm  Magen  Trockenheit  Yang Ming
3Erwärmer  Gallenblase  Hitze  Shao Yang
Lunge  Milz  Feuchtigkeit  Tai Yin
Herz  Niere  Feuer  Shao Yin
Perikard  Leber  Wind  Jue Yin

Links: Kreislauf im kosmologischen Zyklus: erster Kreislauf 1 (Wasser) – 2 (Feuer) – 3 (Holz) usw. Zweiter Kreislauf 6 (Wasser) – 7 (Feuer) usw. Rechts: Kreislauf im erweiterten Zyklus der 3 Yin und 3 Yang: Wasser (Nieren – Blase) – ministerielles Feuer (Perikard – 3Erwärmer) – Holz (Gallenblase – Leber) usw. Die Ziffern beziehen sich auf die Reihenfolge der Schritte innerhalb des Kreislaufs, der identisch ist mit der Organzeituhr.
 

 




 
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