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VON DER CHINESISCHEN HEILGYMNASTIK ZUR INNEREN ALCHIMIE

Qigong bei Großmeister Prof. Guo Bingsen

 

Ein Erfahrungsbericht

 

Eine Versammlung von Meistern und Großmeistern; sie sind hier aus den entferntesten Gebieten Chinas zusammengekommen, um Neues, auch für diese fortgeschrittenen Meister Neues aus dem Qigong zu erfahren. Es geht um die Weitergabe des Wissens eines Meisters aus den Bergen, eines Meisters, der sich kaum mehr unter den Sterblichen blicken läßt, eines Meisters, der sein Wissen vermitteln läßt durch einen anderen, den Meister der Weitergabe.
Als dieser den Raum für kurze Zeit verläßt, ist da ein Bettler unter den Versammelten, bittet sie um eine kleine Gabe. Vom ersten der Angesprochenen erhält er drei yuan. Der zweite schaut in seinem Geldbeutel nach, da sind nur 5 yuan oder zwei: gibt er ihm fünf, so gibt er mehr als der Erste, was diesen beschämen würde; gibt er ihm zwei, so gibt er weniger als der andere, steht als knauserig da. Schließlich entscheidet er sich, ihm die zwei yuan zu geben.
Der Bettler bedankt sich, verspricht ihm Gutes und segnet ihn. Auch der andere erhält seinen Segen.
Dann wendet er sich zur Tür, um zu gehen; - doch da erkennen ihn einige der Anwesenden: Der Meister aus den Bergen! Dies ist er selber, der Meister aus den Bergen!
Der jedoch hat den Raum bereits verlassen, da draußen geht er, langsam, seines Weges.
Man will ihn einholen, ihm nachlaufen, ihn zurückholken unter die Versammelten.
Einer vor allem, ein guter Läufer, er läuft ihm hinterher, was die Beine hergeben.
Doch erholt ihn nicht ein, mit all seiner Geschwindigkeit, den Meister aus den Bergen, der da weiter seines Weges geht, langsam und bedächtig.
 
 

Derart sind die Geschichten, Parabeln von archaischer Kraft, die er erzählt, als seien sie gestern passiert, mitten in der Volksrepublik; und schon beim bloßen Erzählen scheint die Realität neue Dimensionen zu gewinnen, scheint das, was du für Realität gehalten hast, das bisher Erfahrbare, sich auszudehnen auf einen immerhin vielleicht möglichen konkreten Wahrheitsgehalt dieser Sinnbilder und Metaphern.
Derartige Geschichten hält er in Mengen bereit, dieser freundliche, leicht rundliche Professor aus Dalian, V.R. China.
Und mitten in seinem Unterricht kann es dir passieren, daß du dich plötzlich - unerwartet und doch wie nahtlos, die gleiche und doch wie verändert - in einem völlig neuen Wahrnehmungsfeld befindest, und du siehst, als hättest du vorher nie richtig gesehen. Du siehst - und es ergreift dich ein Staunen, ein Staunen, welches nicht gleichzeitig schon die Abgrenzung gegenüber der Welt bereithält, ein, sagen wir, philosophisches Staunen, welches deine alten Erklärungsmuster in Frage stellt und nach neuen Interpretationen verlangt.
Un während du noch nach Begriffen sinnst, die imstande wären, diese neuen Erfahrungen abzubilden, vernimmst du zu deinem weiteren Erstaunen - diesmal einem eher intellektuellen -, daß die Chinesische Philosophie dafür bereits Begriffe hat. Du hast ihren Gehalt bisher nur nicht zu erkennen vermocht.
Und dies ist das Allererstaunlichste an der Chinesischen Philosophie, daß sie für all das, was der Westen in blumigen, nebulösen Schwärmereien am ehesten noch unter dem Sammelbegriff „mystische Erfahrung" zusammenfaßt, genaue Benennungen zu haben scheint, Benennungen, die sich gradweise entschlüsseln, Benennungen, welche die allerkonkretesten Alltagserfahrungen ebenso umfassen, wie sie die Tiefen möglicher Weiterungen beschreiben.
Zum Beispiel die Farben: jeder, der sich ein bißchen mit chinesischer Medizin befaßt hat, hat davon gehört, daß die Farben im Zyklus der fünf Elemente ihre jeweilige Zuordnung haben, daß weiß dem Metall, schwarz dem Wasser, grün dem Holz, rot dem Feuer und gelb der Erde entspricht. Und eine der Diagnosemethoden der chinesischen Medizin arbeitet mit diesen Zuordnungen, z.B. verweist ein weißlicher Belag auf der Zunge auf eine Störung im Metallelement (Lunge/Dickdarm), ein gelblicher auf Magen- /Milzprobleme (Erde), eine gerötete Zunge bedeutet Herzprobleme oder eine Feuer - Krankheit, wie z.B. Scharlach.
Diese Zuordnungen sind aber nicht nur - wie sie meistens dargestellt werden - bloße Entsprechungen auf der körperlichen Ebene, auf der Ebene objektivierender Interpretation, Deutung und Diagnose - sie sind darüberhinaus zu verstehen als Inhärenzen, sich auf körperlicher  u n d  energetischer Ebene manifestierender Ausdruck transobjektiver, konstituierender Zusammenhänge.
Das Qigong, wie es Prof. Guo vermittelt, kennt Übungen, welche diese Dimensionen erfahrbar machen, welche die Fähigkeit, auf dieser Ebene, der Ebene des Qi, das als Materie  u n d  Energie verstanden sein will, zu arbeiten.

Am Anfang meiner Begegnung mit Prof. Guo stand eine Irritation; eine Irritation, die in Ablehnung umgeschlagen wäre, hätte er nicht seine wunderschönen Geschichten erzählt, hätte ich nicht während seiner Kurse einige der oben umrissenen Erfahrungen gemacht: Erfahrungen, die mir seine Behauptungen zumindest der Überprüfung für wert erscheinen ließen, Erfahrungen, die mich mit der Irritation, die seine Behauptungen in mir auslösten, etwas versöhnten, die mich neugierig machten.
Was also behauptet dieser Professor so nachdrücklich, daß es den, der schon eine zeitlang Qigong praktiziert, durchaus erst einmal vor den Kopf stoßen kann?
Er behauptet, das sei alles kein Qigong.
Das Spiel der fünf Tiere beispielsweise sei - chinesische Gymnastik.
Die acht Brokate: chinesische Gymnastik.
Und einer, der sich „Meister der acht Brokate" nennen würde, hätte in China heute wohl kaum besonderen Zulauf.
Meine vielgeliebte Methode vom Berg Wu Dang - während und nach deren Ausführung du dich leicht fühlst, durchblutet, im Fluß - dies sei wohl Qigong, aber Qigong sei etwas anderes.
Dieser chinesische Meister - nein: dieser Großmeister - behauptet also, all das, was mir so geholfen hat, was mich beweglich gemacht hat, was mir eine freie und gelassene Einstellung meinen Mitmenschen, dieser ganzen vertrackten Welt gegenüber hat gewinnen lassen - als das, was nach den hierzulande gültigen Benennungskriterien mit Qigong bezeichnet wird: dies sei gar kein Qigong, dies sei Heilgymnastik, chinesische Heilgymnastik.
Schon leichter nachvollziehbar ist mir seine Ablehnung gegenüber neuentwickelten, nur auf bestimmte Meridiane und Funktionskreise abgezielte Formen des Qigong: Qigong sei in der Wirkung immer integral, die fünf Elemente stünden in dauernder Wechselwirkung untereinander, das in den Übungen aufgenommene Qi fände immer seinen Weg zu den bedürftigen, kranken Bereichen. Formen, die vorgeben, in ihrer Wirkung hauptsächlich namentlich benannte Organe zu unterstützen, seien nach dem ganzheitlichen Verständnis der chinesischen Medizin ein Unding: dies also zumindest leuchtet mir ein, denn derartige Formen - „Man merkt die Absicht und man ist verstimmt" - waren auch mir immer als sehr akademische Konstrukte erschienen, Formen, die mich nie besonders angesprochen hatten, denn sie funktionalisieren diese Leichtigkeit, dieses Aufatmen, diese fließende Schönheit.
-Aber: „Wir machen hier Qigong, nicht Schönheit."
Und Qigong und Taiji Chuan hätten sich nicht zusetzt auch durch die höfische Adaption des Taiji Chuan auseinanderentwickelt: der kaiserliche Hof schätzte Eleganz und augenscheinlichen Fluß des Taiji Chuan und blendete die statischen - wenn auch wirkungsvolleren - Formen des Qigong aus seiner Wertschätzung aus. Denn diese sind nicht immer „schön", sie bieten wenig für´s Auge, und man schwitzt.

Dann also eine angeleitete Meditation: Der Meister bittet uns, alles zu vergessen, was wir bisher über Qigong zu wissen geglaubt hatten, uns offen zu machen für die Erfahrung dessen, was nun käme. Das ist nicht einfach, denn wenn du dir über die Jahre deine Kriterien erarbeitet hast, dann hängst du auch daran. Gottseidank ist eines dieser Kriterien - und ein wesentliches - die Offenheit für unerwartete Erfahrung. Die erforderte innere Einstellung gelingt also mehr oder weniger. Außer einer kurzen Anleitung zur allgemeinen körperlichen und geistigen Entspannung sagt er dann kein einziges Wort: keine Vorstellungslenkung, keine Konzentration der Aufmerksamkeit - leeres, interesseloses Dabeisein. Und es funktioniert: Ströme von Licht, Farben, Bilder - jeder hat seine eigenen Phänomene. Alles ist erlaubt: manchen fließen die Tränen, bei manchen setzen spontane Bewegungen ein, manche verharren in Stille. Dann Abschluß und du öffnest die Augen auf eine neugeborene Welt.
Wie er das macht? - „Das ist Qigong, das ist meine Art einer angeleiteten Meditation."
Er macht es mit Qi. So also arbeitet ein Meister mit Qi.
Kann man das lernen? Man kann - nur eben nicht mit chinesischer Gymnastik, mit dieser wird man wohl seinen Gesundheitszustand verbessern oder erhalten, aber man wird nicht lernen, mit Qi umzugehen auf eine Weise, die bei anderen - bei Mensch und Natur - kathartische, heilende Prozesse einzuleiten vermag, menschliches Potential durch stetige Arbeit entfaltet.

In ihrem Buch über das Stille Qigong schreibt Ulli Olvedi: „Neue Veröffentlichungen über Qigong mit Zitaten aus Werken der taoistischen Inneren Alchimie...lassen vermuten, daß sich die Dimension der Qigong- Praxis in China auf Bereiche auszudehnen beginnt, die vor ein paar Jahren noch von offizieller Seite als Abgrund des Aberglaubens diffamiert wurden...(dies) gibt Anlaß zu der Hoffnung, daß Qigong zu einem Faktor werden könnte, durch den die komplexe Tradition der Inneren Alchimie eine Renaissance erfährt." (U. Olvedi, Das Stille Qigong, S. 49 f)
Dies lesend, wird mir unmittelbar deutlich, daß, wenn dieser Meister von „Qigong" spricht, er darunter wohl eher jene Innere Alchimie versteht, Übungen, welche die Energie nachhaltig verändern, Übungen, die über das Erreichen und Erhalten von physiopsychischer Harmonie hinausgehen, Übungen, welche Dimensionen eröffnen, von welchen zwar bereits die ersten Veröffentlichungen zum Thema Qigong in Europa und Amerika sprechen, die ich aber bis dahin - vor mir selber und erst recht vor meinen Schülern - mit einer gewissen Skepsis bedacht hatte.
Nun ist da einer, der arbeitet mit Qi-Übertragung und das Raum-Zeit-Kontinuum wird durchlässig; nun ist da einer, der hat Übungen (etwa im Nei Jing Gong), die lassen dich mit Wucht die spiralförmigen Bewegungen des Energieflusses erfahren, oder du lernst, yin-Energie zu erzeugen und beginnst - mitten im Hochsommer - angenehm abzukühlen; nun ist da einer, der gibt dir beispielsweise Ginseng oder Teeblätter in die Hand und bei geschlossenen Augen spürst du im Mund, wie er schmeckt, siehst seine Farbe mit der Hand, spürst seine Drehungen sich im ganzen Körper ausbreiten.
Nun ist da einer, der läßt dich das alles am eigenen Leibe erfahren.
Ich bin ein skeptischer Mensch - aber dies hier ist wahr, denn auf meine Sinne ist normalerweise Verlaß. Aber es ist neu und es sprengt meine bisherigen Vorstellungen von wahrnehmbarer Wirklichkeit. Und was sich mir hier schon beim ersten Kennenlernen eröffnet, das haben mir meine anderen Übungen (und ich hatte doch einen anerkannt guten Lehrer) in all den Jahren nicht gegeben (und ich habe doch immer regelmäßig geübt).
Diese Übungen also haben mein Leben verändert und meine Qigong - Krise: mein vorheriges Ungenügen an meinen bisher erlernten Formen (denn dieses Ungenügen war da, trotz aller Begeisterung) - diese Krise ist überwunden.
Woher kam dieses Ungenügen? Aus meiner heutigen Sicht würde ich sagen, daß die Formen, die ich bis dahin gelernt und praktiziert hatte, in sich nicht entwicklungsfähig genug waren.
Wie auch andere Meister legt Prof. Guo Wert auf die Feststellung, daß man im Qigong nach Übungen suchen sollte, die nicht immer wieder auf dem gleichen Niveau beginnen. Er selber hat im Verlauf seiner jahrzehntelangen Erfahrung mit dem Taiji Chuan, sowie mit dem, was er heute chinesische Heilgymnastik nennt und - der Schwerpunkt seiner Arbeit - mit weiterführenden Formen des Qigong das Fan Teng Gong und vor allem das Nei Jing Gong für seinen eigenen Unterricht ausgewählt.
Seiner Einschätzung zufolge ist es vor allem das Nei Jing Gong, welches geeignet ist, um Meisterschaft im Qigong zu entwickeln.
Diese Qigong wird in drei Stufen vermittelt: sein erster Teil stabilisiert insgesamt sämtliche psycho-physischen Funktionskreise, er beinhaltet eine Übung zum Aussenden und eine zur reichlichen Aufnahme von Qi; im zweiten Teil werden verschiedene Modifikationen des Qi erfahrbar, im Verlauf des Übens dann auch erzeugbar; den dritten Teil des Nei Jing Gong gibt Prof. Guo nur an von ihm selber ausgewählte Schüler - dieser Teil wurde in Europa bislang noch überhaupt nicht unterrichtet.
Es ist das erklärte Ziel von Prof. Guo - ein Ziel, das er als seinen Auftrag begreift - hier in Europa Schüler zu finden, die vom bloßen Kursteilnehmer zum Meisterschüler werden können und die in der Folge sein Qigong in Europa weitertradieren.
Im Rahmen seiner Schule für Qigong DAO YUAN will er sich selber nach und nach von unten nach oben wieder zurückziehen und sich später nur noch der Weiterbildung seiner Ausbildungsabsolventen widmen.
Die Abschlußprüfungen dieser Schule nimmt Prof. Guo im Auftrag der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Erforschung des Qigong in Dalian (V.R. China) ab; wesentliches Prüfungselement ist die in China mittlerweile für Unterrichtende erforderliche Qi-Prüfung; auf diese Weise hoffen wir, auch in Europa neue, an chinesischen Standards orientierte Maßstäbe zu setzen.

So wurde mir - die ich diese Schule in Deutschland organisiere - aus meiner anfänglichen Irritation nun eine Aufgabe: eine Aufgabe, die ich gesucht hatte, ohne sie zu kennen, die auf mich zukam, als hätte ich auf sie gewartet.
Meine „chinesische Heilgymnastik" habe ich darum nicht aufgeben müssen: selbst diese Formen zeigen sich mir jetzt in einem neuen Licht, entwickeln sich für mich in einer Geschwindigkeit, die ich vorher nicht gekannt habe: Ich übe Nei Jing Gong und alles andere übt sich mit.
Gleichzeitig und immer deutlicher zeigt sich mir die Differenz der energetischen Qualitäten zwischen Übungen, die dem Erhalt des allgemeinen Wohlbefindens dienen und solchen, die schneller und immer wieder Türen öffnen, von deren Existenz du vorher nicht zu träumen gewagt hättest.

Edith Guba, Herbst 1997



 
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