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GESUND LEBEN UND WOHNEN

Wieviel Heimat braucht der Mensch?

von Ulrike Pfeiffer

- Wahrnehmung von Architektur und ihre Einflüsse auf das Seelenleben und die Entwicklung des Menschen -
- Architektur interpretiert als geschichtliches Dokument, aber auch in die Gegenwart reichendes Phänomen, das Existenz- und Sinnfragen der Menschheit berührt.

Was haben Ärzte und Architekten gemeinsam? Die Verantwortung für das Wohlbefinden ihrer Klienten. Denn ebenso wie ein gewissenhafter Mediziner sich um die Erhaltung und die Wiederherstellung der Gesundheit seiner Patienten bemüht, sollte es auch oberstes Anliegen eines Architekten sein, Wohn- und Arbeitsräume zu schaffen, die den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden und in denen sich die Bewohner körperlich wie psychisch wohl fühlen können. Gesundes Leben und gesundes Bauen und Wohnen bedingen sich gegenseitig.

Wenn man die Wohnung als die dritte Haut der Menschen betrachtet, erscheint es einleuchtend, daß Häuser, die den Mensch als "Maßstab aller Dinge" aus den Augen verloren haben, uns auch nicht "passen" und zu Unbehagen, Unverständnis und Ablehnung moderner Architektur führen.

Unter den Pariser Taxifahrern galt eine Zeit lang als Gipfel aller Schimpfworte das Wort "Architekt". Die Verantwortung für das Unbehagen mit der gebauten Umwelt allein bei den Baufachleuten zu suchen, ist als Erklärung unzureichend, und führt auch nicht zu einer Verbesserung der Situation.

Verständnis und Wohlwollen für die moderne Architektur gewinnt man nur dann, wenn man sich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzt und wenn man sich aktiv und mit allen Sinnen mit Gebautem beschäftigt. In diesem Sinne will ich sie im folgenden Text einladen, zunächst zur Ursachenforschung für das o.g. Unbehagen, um dann Ihre Wahrnehmung auf Kriterien für mehr Qualität und gesundheitsfördernde Aspekte im Bauen zu lenken. (Bild 1)

1. Das Unbehagen mit der gebauten Umwelt:

5 Thesen zu den Ursachen

1.1. Die Anonymität der Ballungszentren läßt kein Zugehörigkeitsgefühl entstehen.

"Vom späten 19. Jahrhundert an entwickelten sich die Großstädte endgültig zu dem, was sie heute sind - unbrauchbare Instrumente für die heutigen Anforderungen der Zeit. Niemand kann sagen, wann und ob der ungeheure Verschleiß an Zeit und Nerven abnehmen wird, und ob die Unfähigkeit, als Großstadtbürger eine würdigere Lebenshaltung zu erreichen, jemals überwunden wird." S. Giedion

Unsere Hauptaufmerksamkeit beim Erleben des Phänomens Großstadt liegt auf dem negativen Erscheinungsbild, der Unwirtlichkeit der "anonymen" Architektur, d.h. die Masse der Einzelbauten zeigt sich unspezifisch. Einzelne preisgekrönte Wettbewerbsergebnisse können die Qualität des Gesamtbildes nicht verbessern. Bei der Planung von Großprojekten in den Ballungszentren, wie Büro- und Geschäftshäuser, Banken und Versicherungen, Kulturpaläste und Museen werden einseitig funktionale, materielle oder scheinbar ästhetische Aspekte in den Vordergrund gestellt.

Die Gestaltung ergibt sich also aus monofunktionalen Gründen und ist nicht Ergebnis einer gesellschaftlichen Planungsbeteiligung, häufig ist sie nicht begründet auf demokratische Entscheidungsprozesse. Eine optische Reduzierung auf inhaltslose Fassadenflächen auf "Gebäudeverpackungen" machen den Warencharakter mancher heutiger Bauten offensichtlich. Verfolgt man die Architekturkritiken, kann man erkennen, dass trotz bester architektonischer Absichten, die optischen Reize, welche von der gebauten Umgebung ausgehen, subjektiv als strittig, unglaubwürdig und fragmentarisch erlebt werden und nicht zum allgemeinen Wohlbefinden beitragen.

Die Begründungen und Theorien der Architekten sind für die Benutzer nicht mehr nachvollziehbar.

1.2. Größe und Unübersichtlichkeit der Städte tragen zum sozialen Unbehagen bei:
In der Großstadt, ebenso wie in ihren vielen Vorstädten, trägt zum sozialen Unbehagen das Gefühl bei niemanden zu kennen, und niemanden zu treffen. Wenn man für jeden Weg mit dem Auto fahren muß, bleiben sogar die Nachbarn Fremde. Ladendiebstahl fällt sicherlich in einer Supermarktkette leichter als in einem Geschäft dessen Besitzer einem bekannt ist. Schon in dieser Hinsicht wirken die qualitativen Wesenszüge der Umgebung für oder gegen soziale Gesundheit.

Zwischen Umraum und Affekten bestehen enge Verbindungen. Wenn die Wohnung zum "Schließfach", das gebaute Milieu zur "Architortur" entartet, bleiben Grunderwartungen an das Leben unerfüllt, Frustration kann sich anstauen und entladen. Monotonie ebenso wie Chaotik erzeugen Raumängste.

Vergleichen Sie einmal in Gedanken Ihre Empfindungen, wenn Sie an einen mittelalterlichen historisch gewachsenen Marktplatz mit einheitlicher Platzgestaltung - wie zum Beispiel der Campo von Siena aus dem Jahre 1349
- denken, mit einem in unserer Zeit neu geplanten Platz ebenfalls mit historischer Bedeutung - wie zum Beispiel der Potsdamer Platz in Berlins neuer Mitte. (Bild 2 und 3)

Gehen Sie dann in dem geistigen Experiment noch einen Schritt weiter und überlegen Sie, welcher Platz sich eher für Ruhe und Erholung, für Urlaub und Wohlbefinden, fürs Verweilen und Entspannen eignen könnte und welches die Gründe für den von Ihnen bevorzugten Platz sind.

Einen weiteren Grund für das Unbehagen umschreibt S. Giedeon kurz:
1.3."Wir disponieren immer großzügiger mit Raum und Zeit"
Raum und Zeit zählen zu den zentralen Spären menschlicher Entwicklung. Global gesehen gehören wir zu den reichsten Gesellschaften der Erde. Über "Raum" und Zeit verfügen zu können, gehört zu den Charakteristika von Reichtum. Wir disponieren über die Zeit nach uns, auch durch den irreversiblen Verbrauch von Ressourcen und Flächen.

Über den Faktor Raum verfügen wir großzügiger als frühere Gesellschaften. Die Tatsache, daß jedes Jahr die von jedem Bürger beanspruchte Wohnfläche in einer Stadt wie Frankfurt am Main um etwa einen halben Quadratmeter zunimmt, läßt sich als Ausdruck wachsenden Raumwohlstandes in unserem Land definieren.

Uneingeschränkt über den Raum verfügen zu können bringt noch keine Gewähr dafür, bauliche Qualitäten zu gewährleisten. Am Beispiel des inzwischen fast fertiggestellten Potsdamer Platz in Berlin wird uns deutlich vor Augen geführt, wie der politisch gesteuerte städtebauliche Rahmen den privaten Investoren die Freiheit gibt, willkürlich und planlos Architekturstile und -haltungen aus dem Legokasten zusammenzufügen zu einem neuen "Hauptstadtherz".

Der Gedanke des Ensembles wird nicht ablesbar. Es entstand städtebauliche Konfektionsware einzig dem Prinzip der Corporite Identity verpflichtet, ohne mutige Innovationsgedanken, ohne Witz und ohne Experimentiergeist ohne erkennbare gemeinsame Gestaltrichtlinie, ein Häuserhaufen fürs Irgendwo - er könnte in Berlin ebenso stehen wie in Castrop-Rauxel. (Bild 4)

Einen weiteren Hinweis zum Verständnis liefert die Sichtweise:

1.4. A rchitektur ist immer auch ein Spiegel von Zeitphänomen!
Die immer rascher wechselnden Stile und Reaktionen auf Stile, sind für den Laien längst nicht mehr nachvollziehbar, die Absichten der Architekten konterkarieren sich gegenseitig. "Architekten reagieren mit ihrem Werk immer auf das, was hinter ihnen liegt oder was sie visionär vor sich sehen," sagt Otto Steidle (Häuser 3 / 1999).

Die Schnelllebigkeit unserer Zeit, die Entwicklung neuer Technologien und Theorien übers Bauen stimmt nicht mehr mit der Lebensdauer von Gebäuden überein, d.h. wir müssen uns immer auch mit geschichtlichen Dokumenten vorausgegangener und zum Teil überholter Auffassungen von Architekten auseinandersetzen.

Architekturströmungen entstehen immer als Reaktionen auf kulturelle Verwerfungen: nach der Katastrophe des ersten Weltkrieges war es die Ablehnung von Wilhelminismus, Chauvinismus und Biedermeier, die Architekten einen Neuanfang im Expressionismus und in der Moderne suchen ließ.

Nach dem 2. Weltkrieg kam es zu einer Wiederholung und Weiterentwicklung des Funktionalismus, in Amerika entstand der "internationale Stil". In den 70iger Jahren führte die Kritik an der Monotonie zur Gegenbewegung der Postmoderne: Mit schnellen Griffen in die Schubläden der Baugeschichte wollte man neues "Geschichtsbewußtsein" beweisen, und die angebliche Sprachlosigkeit und Geschichtsfremdheit der Moderne überwinden. Durch leichtfertig kombinierte Erinnerungen an vergangene, zumeist klassische oder klassizistische Erscheinungsformen entstand eine wahre Lust am Zitieren und Applizieren, Ironie wurde zur neuen Ausdrucksweise von Architektur stilisiert.

Kein Mensch kann es geistig und seelisch gesund überstehen, wenn er tagaus, tagein mit dem ironischen Grinsen seiner gebauten Umgebung konfrontiert wird. Als Anti-Haltung gegen die Postmoderne folgte der "Dekonstruktivismus". Seine Vertreter stellen nicht nur die Ganzheit von Architektur in Frage, sondern alle bisher bekannten Regeln der Schwerkraft und Statik. Der Zustand der Welt wird als chaotisch, widersprüchlich, "häßlich" gesehen und in Architektur abgebildet.

Dekonstruktivistische Architektur ist sogesehen (ähnlich wie die verschiedenen Manierismen der früheren Architekturgeschichte) Produkt einer Endzeit: manieriert, übersättigt, nur noch das Häßliche als Stimulans akzeptierend. Berühmtes Beispiel ist das Jüdische Museum von Daniel Libeskind in Berlin, das mit seiner Formensprache den Holocaust symbolisieren will.

"Wenn die Komposition eines Bauwerks auf Disharmonie und Fragmentierung, auf gebrochenen Rhythmus, Clustering und Strukturbrüchen beruht, kann das Werk zwar Botschaften vermitteln aber mit dem Verstehen der Aussage erlischt die Neugier, und was zurückbleibt, ist die Frage nach der Nützlichkeit des architektonischen Objektes für das praktische Leben", sagt Peter Zumthor.

Wenn man Angst vor der Zukunft hat, dann gibt es einen neuen Historismus, wenn alles zu kompliziert ist, dann predigen die Architekten die neue Einfachheit. Andere sagen: "Die Welt ist aus den Fugen, also bauen wir dekonstruktivistisch." - Nicht die Architekten bewegen die Welt, sie drücken Strömungen, Gedanken, Bewegungen aus, die die Welt bewegen, und geben ihnen Form. Eine solche Architekturauffassung spiegelt eher Probleme und Widersprüche einer Gesellschaft, als sich ihren ursprünglichen Aufgaben nach Schutz und Hülle für ein gesundes Leben verpflichtet zu fühlen. Aber Architektur hat auch Vorbildcharakter und wirkt auf die Gesellschaft zurück. Wenn nun eine Fülle baulich kontroverser Eindrücke auf uns einströmt, erzeugt das schnell Überdruss, Verwirrung und Unsicherheit einem Bauwerk gegenüber. Ein ständiges Hin und Her zwischen zusammenhanglosen Architekturformen überfordert den Betrachter und läßt kein nachhaltiges Erlebnis entstehen.

1.5. Die Entwicklung im ländlichen Raum:

Der Verlust des Genius Loci

Die historischen Vorteile der Stadt als Schutzraum und verdichteter Lebensraum, in dem die geistige Auseinandersetzung geführt wird, die die Grundhaltung einer Gesellschaft prägt, verlieren angesichts der globalen Vernetzung zunehmend an Bedeutung. Das Ausufern der Siedlungsflächen in die freie Landschaft hinein zeigt, dass eine gesündere Lebensweise eher auf dem Land erwartet wird. Der Traum der meisten Menschen nach einem eigenen, freistehenden Einfamilienhaus läßt sich dort am ehesten verwirklichen. Die ländliche Region und das Stadtumland gewinnen neue Bedeutung als Mittler zwischen lokaler Umgebung und globaler Verflechtung - dank der intensiveren Austauschmöglichkeiten durch die neuen Medien. In einem überschaubaren regionalen Umfeld sind neben genügend Kenntnissen und Erfahrungen oft auch persönliche Bindungen zu bestimmten Gebäuden, baulichen Dominanten und Ensembles vorhanden.

Die typische Erscheinung historischer Ortsbilder ist entstanden aus geographischen und klimatischen Bedingungen und die siedlungsgeschichtliche Entwicklung prägt immer das Bild einer Region. In Bayern gibt es eine präzise geographische Abgrenzung der verschiedenen Hauslandschaften unter dem auf den ersten Blick scheinbar einheitlichen voralpinen Pfettendach. (Bild 5)

Die Wiedererkennbarkeit des spezifischen Ortes ist ein besonderer Wert, der in den neueren Vorortsiedlungen, und neuen Wohnquartieren fast immer fehlt. Der Fertighausmarkt begünstigt die weltweite Austauschbarkeit bestimmter Haustypen. Der Anblick eines reetgedeckten Hauses in Sichtziegelbauweise läßt keinen Rückschluß mehr zu, dass man sich in der norddeutschen Tiefebene befindet - ein solches Haus kann ebenso in einer niederbayerischen Dorfrandlage angetroffen werden. Es ist die Frage in wieweit der Begriff "Heimat" mit einer Region identisch ist und welche Bedeutung dabei die Bauwerke spielen? Werden sich diese zukünftig unabhängig von der Region immer mehr angleichen?

 

Folgende Einflussfaktoren "bedrohen" den Gestaltverlust im ländlichen Raum:

- Die "Globalisierung" des Blickfeldes und die fremdartigen Eindrücke, die die Menschen heute durch Medien, Fernsehen und auf Reisen erfahren, wirken sich zusehends auf die Vorstellungswelt ganzen Gesellschaft aus, ändern die Denk- und Geschmacksrichtung, und trüben Jahren, der den Sinn für die Örtlichkeit und das Spezifische der Eigenart des Ortes.

- Technische Möglichkeiten erleichtern Planungen aus der "Schublade", die sich über den Genius loci hinwegsetzen und geographisch und kulturell bedingte Besonderheiten des Baugrundstückes außer Acht lassen.

- Die Produkte des Fertighausmarktes bestimmen das heutige Siedlungswesen mehr als die wenigen Beispiele, die von Architekten geplant sind, und die in den Medien als künstlerische Glanzleistung gefeiert werden. Das Niedrigenergiehaus von der Stange wird angepriesen, die Politik lockt mit Fördergeldern, damit wir "die Erde unseren Kindern bewahren und den Treibhauseffekt stoppen". Die Materialschlacht um Wärmedämmungszentimeter schadet der Proportionalität ebenso wie der oft unüberlegte Anbau von Glaskästen und Sonnenkollektoren das Bild neuerer Siedlungen bestimmt.

- Der allgemeine Drang zu individueller Lebensführung führt zu gewollt vom Nachbarn abweichender Baugestaltung.

- Der unüberschaubare Markt an Baustoffen, Bauarten und Bauweisen erfordert gezielte Reflexion und Auswahl. Er verführt zum technisch, finanziell und materiell Machbaren ohne kulturellen Anspruch.

- Die Verantwortlichkeit für das Planen und Bauen ist im Zuge der Deregulierung und der vereinfachten Genehmigung von Bauanträgen, verlagert worden von den zur Baukultur qualifizierten Fachkräften (den Architekten) zu Bauvorlageberechtigten, ohne besonderen Qualifizierungsnachweis.

- Die größere Verantwortung der Gemeinden stößt auf sehr unterschiedliche organisatorische, personelle und administratorische Verhältnisse und wirft die Frage auf, ob überall Fachpersonal zur Verfügung steht, das den baukulturellen Verpflichtungen und Anforderung in gebotenem Maße gerecht werden kann. Es geht nicht nur um den Erhalt der historischen Bausubstanz und das Bauen in alter Umgebung. Besonders bei der Ausweisung von neuen Wohn- und Siedlungsgebieten sind die Gemeinden aufgerufen, die künftige Gestaltung nach ortstypischen Merkmalen und darauf aufbauenden Zielvorstellungen zu entwickeln.

2. Welche Qualitäten in der Architektur fördern Wohlbefinden?

Hinweise und Vorschläge für ein besseres Architekturverständnis, kein Patentrezept, aber Fingerzeige in welche Richtung die individuelle und gesellschaftliche Entwicklung von Planung und Bauen gehen sollte, um wieder mehr Heimatgefühl, Geborgenheit und Wohlbefinden zu vermitteln.

2.1. Die Stadt als Lebensraum zurückerobern!

Städte waren zu allen Zeiten Agglomerationen gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Interessen.

Die Zunahme des Individualverkehrs droht ihre Funktion zu sprengen, die Vorteile der Verdichtung von Leben zu vernichten. Der Stadtraum muß wieder mit den verschiedenen Anforderungen des heutigen Lebens in Einklang gebracht werden, die Urbanität wieder den Mensch als Bewohner in den Mittelpunkt stellen. Stadtsituationen müssen wieder verstärkt aus der Sicht des Fußgängers erörtert werden und Dialogmöglichkeiten zwischen Stadtarchitektur und Bewohnern gesucht werden. Wichtig ist es mit einem integralen Konzept das kulturell Gewachsene und das ästhetisch konstruierte Moderne nebeneinander zu akzeptieren und mit den Möglichkeiten der Denkmalpflege und Stadtreparatur zu sichern. Die Schichtung von Spuren des Lebens über Generationen hinweg müssen in einer Stadt erhalten und ablesbar bleiben, gerade auch deshalb, damit die zeitgenössischen Spuren ein Fundament haben.

2.2. Den Genius Loci beachten!

Der Genius-Loci, der "Geist des Ortes", lässt sich nicht ortsfern auf Knopfdruck kreieren. Hier sind Nachdenklichkeit, Sensibilität, Orts- und Menschenkenntnis gefragt.

Die Ausbildung in regionaler Baugeschichte und Baukultur an Schulen, Büchereien und Volkshochschulen könnte verbessert und intensiviert werden. Mittels Gestaltungsfibeln und Bauberatungsblättern könnten sich zukünftige Bauherrn in den Gemeinden über ortsübliche Bauweisen informieren. Ein Gestaltungsbeirat aus unabhängigen Fachkräften sollte die Gemeinden und ihre Organe bei wichtigen Entscheidungen, die das zukünftige Ortsbild betreffen, beraten.

Das genaue Studium der Tradition und Kultur des jeweiligen Bauplatzes heißt nicht, dass ein Entwurf ausschließlich aus diesen Quellen schöpfen soll, und nur das wiederholen soll, was sein Ort ihm vorgibt, jedoch können erst die genauen Kenntnisse über die Vergangenheit eine Beziehung zum Zeitgenössischen schaffen. Erzählt ein Stück Architektur nur Weltläufiges und Visionäres, ohne ihren konkreten Ort zum Mitschwingen zu bringen, vemisst man die sinnliche Verankerung an seinen Ort, das spezifische Gewicht des Lokalen, die Besonderheit des Genius loci.

Anhand von zwei positiven Beispielen möchte ich nun Augen und Sinne öffnen für Qualität und Qualitätsunterschiede in bestimmten Regionen:

1. Der besondere Verdienst der skandinavischen Länder in Europa war es gewesen, die moderne Architektur der 20er und 30er Jahre über die Zeit der Regression während des Nationalsozialismus zu retten. Dazu kam die Tradition der spezifischen, langerprobten nordischen Gebräuche und Lebensgewohnheiten.

In der Architektur wird das erkennbar in einem wechselhaften, licht- und schattengebenden Zuschnitt der Häuser, der nicht zögert auch harte Kanten auftauchen zu lassen, die formale Dramatisierung bleibt stets kontrolliert, sie wird nie expressiv überzogen. Auf jeden Fall ist die skandinavische Architektur alles andere als ein Heimatstil, der Vertrautes in vereinfachter Form als neu anbietet, sondern eine originäre Schöpfung, die ihr Wissen um Tradition nicht verleugnet.

Nicht zuletzt geht die Beliebtheit skandinavischer Möbelhäuser auch auf diese Tradition zurück. (Bild 6, 7, 8)

2. Möchte ich Sie bekannt machen mit einer kleinen räumlich stark begrenzten Region in Österreich: mit Vorarlberg. Im Unterschied zu anderen Regionen hat in dem relativ überschaubaren Raum eine intakte Tradition des Bauhandwerks Ansprüche zeitgenössischer Baukunst (wie z.B. richtige Belichtung, Raumöffnung, und flexible Grundrisse) einbezogen und eigene entwickelt.

Die charakteristische Stärke der Vorarlberger Bauszene liegt in der konstruktiven Auffassung des Bauens, in der Entfaltung des Raumes von der Konstruktion und vom Gebrauch her und in der angemessenen Distanz zu repräsentativen, kurzlebigen Formalismen.

So ist es gelungen auf die historisch vorhandene Bautradition eine Antwort zu geben, die nicht die Formen, sondern die abstrakten gedanklichen Prinzipien der Tradition aktualisiert. Darüber hinaus konnten die Baukünstler und ihr Umfeld das anfangs im Holzbau erworbene Repertoire, ihr technisches Wissen und ihre rigide, ökonomisch-formale Disziplin auch auf andere Bautechniken und andere Bauaufgaben übertragen und erweitern.

Die Vorarlberger Bauschule formierte sich abseits von Akademien oder Hochschulen in Distanz zum kulturellen und bürokratischen Etablishment. Die breite Wirksamkeit des kostengünstigen, ressourcenschonenden und qualitätvollen modernen Bauens ist von unten und durch die interessierte Bauherrenschaft weiter gewachsen, und der regionale Impuls wurde seit den frühen 80er Jahren von der internationalen Fachwelt rezipiert und beachtet. Diese Architektur ist keine Frucht regionaler Grenzziehung oder Identitätssucht, im Gegenteil. Man hat hier sehr genau beobachtet, was verwandte Bewegungen in Skandinavien, in den USA und in der Schweiz realisierten.

"Einfach Bauen" in seinen zwei komplementären Bedeutungen lautet das Vorarlberger Konzept, einmal mit der Betonung auf einfach, auf unproblematische Technologie, planerische Vernunft setzend. Der einfache, sogenannte Hausverstand von Bürgern und Bauherren enthält meist einen Kern, der - richtig erfasst - absolut nicht auf Biederkeit und Spießertum hinauslaufen muß. Es geht dabei um eine Einfachheit, die nicht mit Simplizität zu verwechseln ist.

Heinrich Tessenow definierte: "Das Einfache ist nicht immer das Beste, aber das Beste ist immer einfach." Man kann den Titel auch so lesen: einfach bauen, womit gemeint ist, daß es hier ein gemeinsames pragmatisches Selbstverständnis der Planer gibt, das sich klar unterscheidet von den Künstler-Architekten anderer Regionen.

Gemeint ist Baukunst in erster Linie als Dienstleitung, als Planung für die Nutzer, von der Werkstätte her von der Baustelle her, und nicht vom Atelier oder CAD-Büro her, oder wie Adolf Loos etwas früher gemeint hat: "Ein Architekt ist ein Maurer, der Latein gelernt hat." (Bild 9, 10)

2.3.Weitere Kriterien: Der richtige Umgang mit Maß, Zahl und Proportion

Ein für das Selbst- und Weltverständnis des abendländischen Menschen grundlegendes Prinzip ist die Vorstellung von Harmonie. Sie steht im Mittelpunkt der durch die Jahrhunderte zu verfolgenden Bemühungen, einen Einklang zu finden zwischen der sichtbaren Welt und dem Bild des geistig geordneten Kosmos. Eng verknüpft mit solchen Harmonievorstellungen ist der Begriff der Schönheit. Durch das Übertragen dieser Vorstellungen auf die Architektur wird das einzelne Bauwerk als gestaltete Form zum Ausdruck eines im geschichtlichen Wandel sich verändernden Ordnungswillens.

Hans Hollein (geb.1934) formulierte: "Architektur ist eine geistige Ordnung, verwirklicht durch das Bauen". Als wichtigste Elemente architektonischen Gestaltens zur Verwirklichung harmonischer Gesetzmäßigkeiten werden im folgenden Zahl, Maß und Proportion genannt und untersucht. Damit wird auf eine ganzheitliche Interpretation eines Bauwerkes verzichtet, dafür aber die Möglichkeit eröffnet, durch diese Grundelemente den Gedanken der Harmonie in der Architektur über Stilgrenzen hinaus und unabhängig von unterschiedlichen Zweckbestimmungen und Bedeutungsinhalten der einzelnen Bauwerke zu verfolgen. Zahl, Maß und Proportion stellen drei Grundelemente dar, aus deren Beherrschung in der Architektur Harmonie wird.

Zahlen haben in allen Kulturen einen allgemeinen Symbolgehalt und durch Zahlen kann der archetypische Charakter und seine Bedeutung auf das Bauwerk übertragen werden, z. B. in Form von Kreis, Quadrat oder Achteck, oder auch durch gerade oder ungerade Anzahl von Säulen und anderen Gliederungsmöglichkeiten.

Die große sakrale Architektur der Vergangenheit hat mit solchen Mitteln gearbeitet, um Botschaften in Stein zu verschlüsseln und noch heute spüren wir ihre spirituelle Wirkung.

Die Übertragung menschlicher Maße auf die Architektur, forderte schon Protagoras (5. Jhd. v. Chr.): "Aller Dinge Maß ist der Mensch". Hegel präzisierte: "Im Maße sind, abstrakt ausgedrückt, Quantität und Qualität vereinigt".

Und Palladio vergleicht das Bauwerk, dessen Schönheit aus der Beziehung aller Teile untereinander und zum Ganzen entsteht, mit dem vollendeten Körper, an dem es nichts Überflüssiges gibt. Auf die Vorbildlichkeit der menschlichen Figur für die Architektur hatte auch schon Vitruv bei der Beschreibung des Tempels hingewiesen, und von Leonardo da Vinci stammt die berühmte dazugehörige Illustration. (Bild 11)

Le Corbusier erfand den "Modulor" und zeigte damit seine Absicht, der Architektur wieder eine menschliche und gleichzeitig objektive Ordnung zu geben, und eine Grundlage zu schaffen für serienmäßige Herstellung von Bauelementen. Der Modulor setzt Teile des menschlichen Körpers ins Verhältnis zum Ganzen nach dem Prinzip des goldenen Schnitts. (Bild 12)

Für alles gibt es ein richtiges Maß an Größe und Proportion. Verkürze ich den Stiel eines Löffels um 5 mm, verbreitere ich ein Fenster um 5 cm oder hebe ich die Traufe eines Daches um 15 cm an, so wird sich das Wesen des jeweiligen Objektes merklich verändern.

Proportion bezeichnet allgemein die Beziehung zwischen zwei und mehr Größen, also zwischen Länge und Breite, aber auch zwischen Höhe, Breite und Tiefe. Wir erfahren die Proportion in der Architektur mit unserem Körper, mit der Beziehung unserer eigenen Körpergröße zur Größe des Bauwerkes. Und wir erfahren das Räumliche auch bildhaft als Projektion in die Fläche, als geometrische Abstraktion. Es liegt an unserer senkrechten Stellung zur Erde und an der waagerechten Richtung der Augen, daß wir uns an allen Vertikalen und Horizontalen eines Gebäudes orientieren, und alle Abweichungen im Verhältnis dazu messen.

Der gestische Gehalt des Rechtecks kann in einem Wechselspiel von liegend, neutral oder stehend, Ruhe oder Bewegung ausdrücken und von daher den ästhetischen Eindruck eines Bauwerkes bestimmen. Gerade das Erkennen des inneren Entwurfszusammenhangs, die Logik und zugleich Praktikabilität eines Proportionsgefüges läßt uns das Konzept eines Gebäudes nachvollziehen und vermittelt ästhetisch-theoretische und technisch-praktische Gesichtspunkte. Sehr offensichtlich wird dieser Gedanke beim Betrachten von Architekturmodellen. In der Reduktion auf das Wesentliche zeigen sich die "reinen" Baukörper in Zahl, Maß und Proportion. Im Mittelalter war das Verhältnis zwischen der Breite einer Straße und der Höhe der Häuser an ihren Seiten wohlüberlegt festgelegt mit 1: 2. - Zur Zeit der Renaissance empfand man das Verhältnis von gleicher Höhe und Breite als ideal und im Barock entsprach die Breite der Straße nunmehr der doppelten Höhe der Häuser.

Die Straßenbreite in der heutigen Planung richtet sich nach den Verkehrsanforderungen: öffentlicher Verkehr, individueller PKW-, Fahrrad- und Fußgängerverkehr.

3. Architektur für alle Sinne:

Konzentration auf das Wesentliche statt "außergewöhnliche Inszenierung":

Wenn wir uns an Orten aufhalten, die in uns ein gutes oder schlechtes Gefühl auslösen, wird deutlich, daß bestimmte Farben und Formen, Proportionen, Helligkeitsgrade und Temperaturen, Materialien und Töne unsere subjektive Richtlinie sind. Der Mensch ist oft das beste Meßinstrument. Durch bewußte Schulung der Aufmerksamkeit wird die Differenzierung zwischen persönlichen, kulturellen und universellen Ebenen möglich. In einer distanzierten Weise, quasi im Vorbeigehen, wird allzu leicht manches übersehen. Es ist notwendig, unsere Sinne zu entwickeln, die eine Brücke bilden zwischen den Gegebenheiten und unseren Gefühlen. Wir nehmen Dinge hauptsächlich dadurch wahr, wie sie aussehen, riechen, schmecken, klingen, welche Temperatur sie haben und wie sie sich anfühlen. Architektur, definiert als Umweltgestaltung, ist die Kunst, diese Sinne zu nähren. Der Sehsinn ist in unserer Zeit zumeist dominant, gespeist durch die Bildmedien, die übrigen Sinne werden oft vernachlässigt.

3.1. Sorgfalt und Einfühlsamkeit:
Ästhetik hat weniger mit Geld als mit Sorgfalt zu tun, wobei Sorgfalt allerdings Zeit kostet. Sorgfalt für die Planung, die konstruktive Ausführung und für den Unterhalt. Üblicherweise wird das billige Erscheinungsbild von Häusern aufgewertet durch Ziegelsteinverblendungen oder Holzverschalungen, billige Röhrenspantüren werden mit scheinbar edlen Funierhölzern verkleidet und Möbel aus Spanplatten mit hochglänzenden Oberflächen. Der Bedarf richtet sich eher nach dem schönen Schein, als nach qualitätvollem Innenleben. Es lohnt sich beispielsweise die Philosophie und die Handwerkskunst der Shaker zu studieren, die sich an der Frage von Überflüssigkeit und Zweckmäßigkeit orientierten und Sorgfalt und Einfühlsamkeit hervorragend beherrschten.

3.2. Materialgerechte Verwendung von Baustoffen:
Sich mit den Eigengesetzlichkeiten von Holz, Ziegel, Stahlbeton, Kunststoff, Stein und Metall auseinander zu setzen, die sinnlichen Qualitäten und ihren Einfluß auf die Atmosphäre im Innen- wie im Außenraum bewußt wahrzunehmen und zu gestalten, ist eine der Grundvoraussetzungen für Qualität. Es birgt die Möglichkeit, eine Architektur zu entwickeln, die von den Dingen ausgeht, und zu den Dingen zurückkehrt, sie gleichsam in ihrem ursprünglichen Wesen zum Ausdruck zu bringen, Holz holzgerecht, Beton betongerecht ... zu verbauen sperrt sich den stilistisch vorgefertigten Formvorstellungen und bringt neue, dem Material gerecht werdende Schöpfungen in das Bauwerk als Ganzes. Wenn wir polyurethanbeschichtetes Holz anfassen, fühlt es sich hart, glatt und kalt an, es atmet nicht und die Feuchtigkeit der Finger kondensiert auf der porenverschlossenen Oberfläche. Es sieht aus wie Holz, aber es fühlt sich nicht so an, und sicherlich ist es für die menschliche Seele nicht gut, sich ständig mit solch trügerischen Dingen zu umgeben. Qualität entsteht dann, wenn es gelingt, im architektonischen Gegenstand spezifische Bedeutungen bestimmter Baumaterialien hervorzubringen, die nur in diesem einen Objekt auf diese Weise spürbar werden. Das Material soll in seiner ihm eigenen sinnlichen und sinnstiftenden Eigenschaft in einem neuen Lichte erscheinen und zum Klingen und Strahlen gebracht werden.

3.3. Die Textur, die Oberfläche,
ob das Material versiegelt, offenporig, gestockt, poliert oder geschliffen ist macht große Qualitätsunterschiede. Ebenso gilt es wahrzunehmen, ob Farben mit künstlichen Pigmenten und Zusatzstoffen oder Naturpigmente mit natürlichen Bindern verwendet wurden. Beobachten Sie die verschiedenen Oberflächenstrukturen einer Wand, wie viele unterschiedliche Arten sie zu verputzen möglich sind, und wie groß der Einfluß der Oberflächengestaltung auf den Gesamteindruck, auf die Lichtwirkung, auf den Charakter ... eines Gebäudes ist. Licht braucht Oberflächen, auf denen es spielen kann!

3.4. Das Haptische ist mitbestimmend für Qualität: Ein kleiner Greiftest: Gehen Sie zur nächsten Tür. Fassen Sie den Türdrücker an. Öffnen Sie die Tür, und denken sie dabei: Wo liegt der Daumen, welche Richtung sucht der Zeigefinger, wie ist der Handballen gestützt und erfüllt der Drücker das Bedürfnis der Hand nach Greifvolumen?

Wiederholen Sie den Test an unterschiedlichen Türen mit unterschiedlichen Türbeschlägen. Bereits am Ende des ersten Testtages werden Sie feststellen: Klinke ist nicht gleich Klinke, Greifen nicht gleich Greifen.

3.5. Der Versuch, Ganzheit
in der Architektur zu erreichen, ist der künstlerische Prozess, dem Gebauten eine Präsenz zu verleihen, wie sie den Dingen in der Natur oder in der gewachsenen Umgebung zu eigen ist. Häuser sind künstliche Gebilde. Sie bestehen aus Einzelheiten, die miteinander verbunden werden müssen. Die Qualität dieser Verbindungen bestimmt im hohen Masse die Qualität des fertigen Objektes.

Die Wahrnehmung des Ganzen darf nicht durch unwesentliche Einzelheiten fehlgeleitet oder gestört werden. Für die Kanten und Fugen, dort wo die Flächen des Objektes sich schneiden, oder die verschiedenen Materialien aufeinandertreffen, sind sinnvolle Konstruktionen und Formen zu suchen, bzw. werden Widersprüche sichtbar. Details drücken aus, was die Grundidee des Entwurfs an der betreffenden Stelle des Objektes verlangt: Zusammengehörigkeit oder Trennung, Spannung oder Leichtigkeit, Reibung, Festigkeit, Zerbrechlichkeit ...Geglückte Details lenken nicht ab, sondern führen hin zum Verständnis des Ganzen. 3.6. Zeitlosigkeit:
Die Vielfalt der Architekturstile und Richtungen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, der wechselnder Theorien innerhalb von 5 bis 10 Jahren und nicht zuletzt die Schnelllebigkeit virtueller Architektur steht in keinem Verhältnis zur normalen Lebensdauer eines Gebäudes mit knapp 100 Jahren. Dies sollte zu einer kritischen Einstellung gegenüber allem Modischen führen. Der Berliner Architekt Hans Kollhoff spricht in diesem Zusammenhang von der "Halbwertzeit" eines Gebäudes, wie lange hält so ein Gebäude, nicht nur als Substanz, sondern als Bild. Wie oft kann man an einem Haus vorbeigehen, und immer noch etwas Neues entdecken, wie viele Jahre hält diese einmal gefasste positive Einschätzung? Wenn eine Bauherrenschaft über ein gewöhnliches Häuschen sagt: "Das ist gut, da fühlen wir uns wohl, nicht nur im ersten Jahr, sondern seit 20 Jahren und unsere Kinder möchten auch hier wohnen", dann ist der archaische Anspruch von Architektur erfüllt. Architektur sollte in erster Linie nicht so sehr Botschaft oder Zeichen sein, sondern Hülle und Hintergrund des vorbeiziehenden Lebens, ein sensibles Gefäß für den Rhythmus der Schritte auf dem Boden, für die Konzentration der Arbeit, für die Behaglichkeit des Wohnens und für die Stille des Schlafes.

Ausblick:

Als der Bundeskanzler bei der Einweihung des neuen Reichstagsgebäudes sagte: "Ich hätte gar nicht gedacht, daß man in diesen Bau soviel Licht bekommt," da ist Gerhard Schröder die Architektenleistung bewußt geworden. Norman Forsters Umbau macht deutlich, daß nicht etwas Altes rekonstruiert wurde, sondern das Neue und das Alte in einen Dialog kommen, und so Geschichte weitergeschrieben wird. An den langen Besucherschlangen vor dem alten Reichstag und neuen Bundestag kann man ablesen, daß viele Menschen daran interessiert sind, was Architektur leisten kann.

(Bild 13 ) Beim Nachdenken über Architektur steigen Bilder aus der Kindheit auf, Erinnerungen an jene Zeit im Leben in der man Architektur erlebte ohne darüber nachzudenken. Vielleicht tauchen Gerüche bestimmter Häuser auf, oder die Geräusche der Kieselsteine unter den Füßen beim Betreten des Gartens, der Klang der Haustür, wenn sie ins Schloß fällt, oder die Atmosphäre der Küche, die meist der zentrale Raum im Haus war. Wenn man sich fragt: was hat uns damals an diesem Haus gefallen, beeindruckt, berührt - und warum? Dann ist man dem Wesen von Architektur auf der Spur:

Welcher Geruch lag in der Luft, wie haben die Schritte in ihm geklungen, wie hat meine Stimme in ihm getönt? Wie haben sich der Boden unter meinen Füßen, die Türklinke in meiner Hand angefühlt? Wie war das Licht auf den Fassaden, der Glanz auf den Wänden? Von den Architekturen, die uns geprägt haben tragen wir Bilder in uns. Diese Bilder können wir im Geiste wieder entstehen lassen und befragen, wenn wir neue "Architekturen" beurteilen sollen.

Erinnerungen dieser Art beinhalten die am tiefsten gegründeten Architekturerfahrungen, und sie bilden den Grundstock von architektonischen Stimmungen und Bildern, an denen sich alle späteren Erfahrungen und Eindrücke messen lassen müssen.

Nur die Architektur, die von dieser Fülle und diesem Reichtum geprägt ist, die spürbar macht: das habe ich schon einmal gesehen, während ich gleichzeitig weiß, daß alles neu und anders ist und kein direktes Zitat einer alten Architektur das Geheimnis der erinnerungsträchtigen Stimmung verrät, wird Bestand haben und sie wird zukunftsweisend sein. Und diese moderne Auffassung von Architektur wird eine Antwort geben können auf die eingangs gestellte Frage: Wieviel Heimat brauchen wir?

Nötig dazu ist ein kreatives Mitdenken über das Fachgebiet hinaus und daraus ergibt sich letztlich meine Frage:

Können wir in Zukunft die Suche nach Antworten zur Architektur - als eine existentiell menschliche Aufgabe - dem freien Spiel der Kräfte in der Marktwirtschaft überlassen? Sind wir nicht alle als Nutzer von Architektur dazu aufgerufen, in einer erweiterten Diskussion zu neuer Gestaltfindung beizutragen?

Zum Weiterlesen:
Karl-Ludwig Spengemann: "Architektur befragt" Kerber Verlag, 1999
Peter Zumthor: "Architektur denken" Birkhäuser Verlag, 1999
Jürgen Pahl: "Architekturtheorie des 20. Jahrhunderts" Prestel Verlag, 1999
S. Giedion: "Raum, Zeit, Architektur", Artemis Verlag 1976
Christopher Day: "Bauen für die Seele", Ökobuch Verlag, 1996
Paul von Naredi-Rainer: "Architektur und Harmonie", Dumont Verlag, 1982

Anschrift der Verfasserin:
Dipl.-Ing. Architektin
Ulrike Pfeiffer
Hartholzweg 14
85599 Parsdorf
Tel.: 089 / 9037407


Diese Informationen und Veranstaltungshinweise
finden Sie auch in der Zeitschrift Naturheilpraxis des Pflaum-Verlages:






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