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Götter als Helfer und Heiler in Altägypten

von Kamal Sabri Kolta

In der altägyptischen Medizin begegnen uns magische, religiöse und empirisch-rationale Elemente. Es ist jedoch ein Irrtum anzunehmen, daß die ägyptische Medizin empirisch begann, sich dann nach der rationalen Seite hin entwickelte und schließlich in einer Gebets- und Beschwörungsmedizin endete. Die Altägypter waren immer ein frommes und religiöses Volk, wie es ihre Bestattungsriten, ihre frühe Literatur und ihre ganze Kultur beweisen. Zauberformeln und Beschwörungen zur Heilung von Krankheiten finden sich schon in den Pyramiden-Texten des Alten Reiches. Im Laufe der Jahrhunderte dürfte die magisch-religiöse, wie auch die empirisch-rationale Medizin in wechselnder Weise zu allen Zeiten existiert haben.
Die altägyptische Gesellschaft bestand aus Göttern, Toten und Lebenden. Die Götter und die Toten hielt man für immer gegenwärtig, sie konnten die Geschicke der Menschen in jedem Augenblick beeinflussen. Außerdem war die Welt von Geistern, Dämonen und bösen Kräften bewohnt, die z.B. Frauen bei der Niederkunft, Säuglinge und Schwache bedrohten. Die Götter und die Toten konnte man mit Gebeten und Opfern gnädig stimmen. Die Mittel, mit denen man die Welt der Geister beeinflussen konnte, waren Zauber und Magie. Magie galt als wichtigstes Schutzmittel des Einzelnen. Sie beinhaltete aber auch Zaubersprüche, die erwünschte Zustände herbeiführen konnten, etwa die Liebe eines Mädchens, eine leichte Entbindung oder die Wiederherstellung der Gesundheit.

Die Gottheit
Ein wesentlicher Bestandteil des religiösen Denkens der alten Ägypter war der Glaube an die Existenz einer unbegrenzten und unpersönlichen göttlichen Kraft. Obwohl sich das religiöse Leben Altägyptens nach außen hin polytheistisch darstellte, kommt bei den verschiedenen Namen und Gestalten der Gottheiten das Bestreben zum Ausdruck, die Namen und Wirkungsbereiche mehrerer, verschiedener Götter in einem einzigen Gott zu vereinen. Darauf weist die Hieroglyphe ## ntr (sprich: netjer) hin, die allgemein „Gott“ bedeutet, ohne daß man ihn namentlich aussprach. Dies schuf die Vorstellung von einer unabhängigen göttlichen Kraft, die sich in jeder einzelnen Gottheit wiederfand.

Die Literatur Altägyptens bezeugt einen reichen Götterhimmel, der nach der Verehrung des Volkes verlangte: Ihn bevölkerten Hauptgötter und lokale Gottheiten, die Menschen- und Tiergestalt annehmen konnten. Ihre Bedeutung und ihr Rang blieben nicht für immer im Götterhimmel festgelegt. Vielmehr stiegen sie auf oder fielen in Vergessenheit, je nach der politischen Lage der irdischen Regionen und Städte, in denen ihre wichtigsten Kultorte lagen. Der in Statuen und heiligen Tieren allgegenwärtige Gott war Heiler und Helfer, der die Macht besaß, Menschen mit Krankheiten zu strafen, doch war er ihnen auch gnädig, wenn der Kranke sich vertrauensvoll an ihn wand und Hilfe und Genesung erbat. Der folgende Text zeigt den Fall einer strafenden Gottheit: Ein Mann verlor sein Augenlicht, weil er einen Meineid geschworen hatte, und bat um Gnade:
„Ich bin ein Mann, der im Namen von Ptah falsch geschworen hat. Und er ließ mich bei Tage die Dunkelheit sehen ... Hüte Dich, den Namen Ptahs eitel zu sprechen... Sei mir gnädig, schau mich an, auf daß Du gnädig sein mögest.“ .
Die Gottheit war gütig. Auf einer Votivstele aus der Arbeiterstadt „Deir el-Medina“ (Theben-West) überliefert uns Nachtamun, der Schreiber und Vorzeichner Amuns, seine hohe Meinung von der Gnade des Gottes:
„War zwar der Diener bereit, die Sünde zu tun, so ist doch der Herr bereit zur Gnade. Der Herr von Theben zürnt nicht einen ganzen Tag, wenn er zürnt, ist es ein Augenblick, und nichts bleibt zurück. Die Brise hat sich zu uns umgewendet in Gnade, Amun kam mit seinem Lufthauch gefahren. So ... wirst Du gnädig sein, und wir werden es nicht wieder tun.“ 2
Gegenüber einer geringen Zahl ausgesprochener Heilgötter steht die große Zahl Gottheiten, für die das Heilen nur eine Funktion von vielen darstellte, denn die Bitte um Gesundheit wurde an alle Götter gerichtet.

Der Gott Thot
Die alten Ägypter ordneten jeder Gottheit eine Erfindung zu. Obwohl die eigentlichen medizinischen Quellen keinen Gott der Medizin namentlich nennen, geht man wohl kaum fehl, Thot als den ersten Vertreter dieser Wissenschaft zu bezeichnen. Als Erfinder der Schrift wurde der Ibis- oder Paviangott Thot  zunächst zum Schutzpatron der Schreiber und der Gelehrten. Seine Kenntnisse der Hieroglyphen ermöglichten es ihm, die Geheimnisse der heiligen Bücher zu lesen, so daß er zu einem gefürchteten Zauberer wurde. Er kannte aus diesen Büchern alle zur Heilung von Krankheiten nötigen Zauberformeln und rückte hierdurch in den Bereich der Medizin. 3
Als Arzt der Götter gelang ihm die Heilung des Horusknaben in den Deltasümpfen, als dieser von einem Skorpion gestochen worden war 4. Ein weiteres Mal wurde der Gott Horus von Thot medizinisch betreut, als er mit seinem Onkel Seth kämpfte, um seinen Vater, Gott Osiris, zu rächen. Dabei riß Horus Seth die Hoden ab, und Seth wiederum verletzte Horus am Auge. Thot konnte das Auge mit seinen Händen heilen, wodurch er den Beinamen „Arzt des Horusauges“  erhielt.
Außerdem berichtet Plinius von der Heilkraft des Gottes Thot als Erfinder des Klistiers. Damit half er vielen an Verstopfung leidenden Ägyptern und verschaffte ihnen Erleichterung. Denn es bestand im altägyptischen ärztlichen Denken die Vorstellung, daß die meisten inneren Krankheiten eine Reaktion des Magen-Darm-Traktes auf unverdaute Speisereste waren. Herodot berichtet hierzu:
„Die Ägypter gebrauchen Abführmittel drei Tage hintereinander jeden Monat und sorgen für ihre Gesundheit durch Brechmittel und Klistiere, da sie der Meinung sind, daß alle Krankheiten der Menschen durch die Speisereste entstehen.“ (II 77).
Solche Maßnahmen zeugen von einer beachtlichen allgemeinen Hygiene, die bereits in Altägypten wurde.
Gemäß der altägyptischen Literatur ist göttliches Wirken sowohl bei den Menschen als auch – noch ausgeprägter – bei Königen und Königinnen nachweisbar. Denn das Königsdogma besagt, daß der König der Sohn einer auserwählten irdischen Mutter und des himmlischen Vaters ist und deshalb als Vertreter seines Vaters auf Erden wirkt. So liegt es nahe zu glauben, daß die Heilgötter sowohl die Menschen als auch den König durch ihr gnädiges Wirken von der Geburt bis zum Tod auf Erden begleiten.

Amun als Helfer und Heiler
Ein Gott, der zu den Urgöttern Altägyptens zählte, war Amun. Durch den politischen Aufstieg der Stadt Theben (heute Luxor) zur Hauptstadt von Ober- und Unterägypten im Neuen Reich (um 1550 – 1080 v. Chr.) wurde Gott Amun – der frühere Lokalgott der Stadt Theben – zum höchsten Gott Altägyptens. Amun als „Gott der Götter und Vater der Väter“ war in griechischer Zeit mit Zeus gleichgesetzt. Der Name Amun bedeutet ferner „der Unsichtbare“. Daher war er nicht nur „Herr des Windes und der Luft“, sondern heißt auf Inschriften im Totentempel Ramses III. (um 1184 – 1153 v. Chr.) auch „Hauch des Lebens“. Er war ferner in jedem Ei gegenwärtig, weil er aus einem Ei entstand 6, und es liegt nahe, ihn mit der Urzeugung in Verbindung zu bringen. Durch Berührung mit dem Lebenszeichen    ,“Anch“ genannt, konnte Amun Leben schenken. Er berührte damit Hand und Nase der Königinmutter Ahmes, und seine Tochter Hatschepsut war gezeugt. So wurde Hatschepsut die rechtmäßige Königin über Altägypten. Weitere Parallelen zu derartigen „Wunderzeugungen“ findet man in der griechischen Mythologie, z.B. bei Zeus und Amphitryon.

Zur Erleichterung einer schweren Geburt flehte man zu Amun als „Lufthauch“, denn er „macht das Herz der Schwangeren beim Gebären fest und erhält den aus ihr Hervorkommenden am Leben“. Daß der Gott Amun darüber hinaus noch als Heiler fungierte, ist aus der Leidener Hymnensammlung und dem Papyrus Chester Beatty IV (19. Dynastie um 1305 – 1196 v. Chr.) ersichtlich. Es heißt dort: „Der Kranke ruft nach Amun.“ Letztlich wurde Amun mit Augenheilkunde in Verbindung gebracht, wie ein Text aus der bereits erwähnten Leidener Hymnensammlung besagt:

„Der vom Übel befreit, der die Krankheit verscheucht, Arzt, der das Auge ohne Medizin heilt, der die Augen öffnet und das Schielen vertreibt ..., Amun!“

Chnum
Ein wichtiger Gott bei der Zeugung war Chnum. Bis in die Frühzeit des Alten Reiches wurde er in Gestalt eines Widders verehrt, später nahm Chnum Menschengestalt mit Widderkopf an. Er galt als Urschöpfer aller Lebewesen, und man glaubte, er gestalte den Leib eines Kindes auf einer Töpferscheibe und lasse ihn mit dem Samen in den Leib der Frau gelangen, die so schwanger werde.

Chnum erschuf auch Götter. Gemeinsam mit der Froschgöttin Heket, die als Hebamme wirkte, half er bei der Entbindung.

Die Göttin Hathor und der Kindersegen
Hathor, die Göttin des Tanzes, der Musik und der Liebe, wurde mit der griechischen Liebesgöttin Aphrodite gleichgesetzt. Die Kuh war ihr heiliges Tier. Hathor wurde entweder als Kuh oder in Menschengestalt dargestellt, auf dem Kopf trug sie ein Kuhgehörn und dazwischen die Sonnenscheibe. Über Hathors Stirn wand sich die Uräusschlange .
Früher galt die Göttin als Horusmutter, jedoch als die osirianische Familie (Osiris, Isis und Sohn Horus) populär wurde, verdrängte sie Isis. Auf Grund ihrer eigenen Mutterschaft glaubte man auch, daß sie anderen Frauen zu Kindersegen verhelfen könne. Hathor wurde deshalb bei Entbindungen angerufen, um zu helfen oder sie zu erleichtern.

Bes und Thoeris
Für die Zeit nach der Zeugung stand die Frau und das Kind in Altägypten unter dem Schutz der Gottheiten Bes und Thoeris. Bes zählte zu den volkstümlichen Göttern und Dämonen der altägyptischen Religion. Er war ein Halbgott, der mit seinem breiten, fratzenhaften Gesicht, seiner drolligen, dickbäuchigen und zwergenhaften Gestalt als abwehrender Schutzgeist gegen das Böse wirkte. Nach altägyptischer Vorstellung bedrohten böse Geister und Dämonen bereits das neugeborene Kind. Um es zu schützen, wurde Bes zur Abwehr gerufen. Dargestellt mit einer Keule oder einem Messer in der Hand, erkennt man noch heute deutlich seine schützende Funktion. Gegen den bösen Blick trug man sein Abbild als Amulett .
In Rang und Funktion glich die Göttin Thoeris dem Gott Bes. Sie wurde in Gestalt eines aufrechtstehenden Nilpferdes mit dickem Bauch und hängenden Brüsten dargestellt. Mit den Vorderbeinen hielt sie die Schleife    „sa“, ein Symbol magischen Schutzes. Sie galt als Schutzgöttin, die böse Mächte vertrieb. 9 Man fand von ihr wie auch von Bes Abbildungen auf Toilettenartikeln, Kopfstützen und Möbeln. Bei einer schweren Geburt drückte die Frau auf eine kleine Bes- oder Thoerisfigur in ihren Händen, um die Geburt zu erleichtern. Bei allen Entbindungen vertrieb die Göttin die bösen Geister. Werdende Mütter weihten ihr kleine Thoerisfiguren mit einem kleinen Hohlraum im Innern, der mit Milch gefüllt werden konnte. Von diesem Hohlraum führte ein Kanal zu den Brüsten der Figurette und mündete in ihren Brustwarzen . Die Mütter baten hiermit sicherlich auch um reichlich Nahrung für ihr Kind.

Meschenet
Zu den Schutzgottheiten für Geburten wurde die Göttin Meschenet gezählt. Sie trug als Attribut ein rohrähnliches Gebilde auf dem Kopf, das am oberen Ende in zwei Spiralen auslief und als Uterus gedeutet wurde. Der Name Meschenet stand in enger Verbindung mit den Gebärziegeln. Es handelte sich hierbei um zwei Ziegel, die der Kreißenden in hockender Stellung als Stütze unter den Füßen dienten. Die Gebärende, der gesamte Geburtsvorgang und das Kind bedurften des magischen Schutzes gegenüber bösen Geistern, und so schrieb man diesen Gebärziegeln einen besonderen Schutz vor dem bösen Blick und den Dämonen zu.

Selket
Neben Meschenet galt die Skorpiongöttin Selket als Beschützerin des Lebens. Sie trug als Attribut einen Skorpion auf dem Kopf. Gemeinsam mit der Göttin Neith, Isis und ihrer Schwester Nephthys hielt sie Wache am Totenbett des Gottes Osiris. Auch die neugeborene Herrscherin Hatschepsut beschützte sie, wie aus Geburtsszenen in der Geburtshalle des Hatschepsut-Tempels (Theben-West) hervorgeht. Selket wurde vor allem zum Schutz gegen Skorpione angerufen .

Isis, Mutter des Horus
In der altägyptischen Götterwelt wurde Isis, die Mutter des Gottes Horus und Schwestergemahlin des Gottes Osiris, als Muttergöttin bezeichnet. Meist sieht man sie sitzend dargestellt mit dem Kind Horus auf dem Schoß, das sie stillt. Als Muttergöttin konnte sie bei Geburten beistehen. Ihren beschützenden Einfluß übte sie auf eine der vier Kanopen, die Amset-Kanope, aus. Da Isis zum Schutze ihres Sohnes Horus Zaubermittel anwand, spielte sie als „zauberreiche“ Göttin in der Magie eine bedeutende Rolle. Dies veranlaßte Diodor sicherlich, über Isis ähnlich wie über Asklepios zu berichten:
„Sie ist die Erfinderin vieler gesundheitsbringender Arzneimittel und hat Freude daran, die Menschen, die sie um Hilfe bitten, im Schlaf zu heilen.“ (I 25).

Isisblut
Ein Schutzamulett mit dem Namen der Göttin Isis war das sogenannte „Isis-Blut“, auch bekannt als „Isis-Knoten“. Es wurde gegen Blutungen getragen.

Horus
Nach der osirianischen Legende war Horus der Sohn des Gottes Osiris, des Totengottes, und der Göttin Isis, der großen „Zauberreichen“. Horus wurde falkengestaltig oder als Mensch mit Falkenkopf dargestellt. Seine wesentliche Rolle lag darin, das Land und Königtum Altägyptens zu schützen.
Wie bereits erwähnt, wurde Horus durch eine Zauberformel der Isis und des Thot von einem giftigen Skorpionstich geheilt, und man schrieb deshalb dem Gott die Fähigkeit zu, Menschen von solchen Stichen oder Bissen zu heilen. Die nach ihm genannten Stelen, sog. „Horusstelen“, zeigen ihn auf zwei Krokodilen stehend. Sie gehören dem Bereiche der Magie an, wo Horus oft mit „Horuslocke“ dargestellt wurde. Er hält in beiden Händen Schlangen, Skorpione, Löwen, eine Gazelle und steht auf zwei Krokodilen. Auf seinem Kopf trägt er die Maske des mit ihm vereinten Gottes Bes , der als besonderer Beschützer des Horuskindes galt. Das Volk verehrte beide Götter, Horus und Bes, als Vernichter böser Tiere. Man erhoffte sich Schutz und Heilung u.a. durch folgende Maßnahme: Über eine kleine Horus-Stele wurde Wasser gegossen, das in einer Mulde im Sockel zusammenfloß. Man glaubte nun, nachdem das Wasser durch die Berührung mit der Stele und den auf ihr befindlichen Zauberinschriften geweiht sei, könne man es zur Behandlung von Skorpion- und Schlangenbissen verwenden .
Im Tempel von Kom-Ombo wurde besonders der Menschen und Götter heilende „Große Horus“ (Haroeris) verehrt. Die Tempelinschriften berichten uns hierzu folgendes:
„... der gute Arzt seines Schöpfers (Gott Re), der das Leiden dessen, der ihn schuf, heilt, der dessen Augen erneuert.“
Bei einem anderen Text heißt es:
„Horus, der wahre gute Arzt, der für Götter und Göttinnen sorgt.“
Oder auch:
„Horus, Oberarzt, der das Leiden der göttlichen Augen des Re heilt.“
Ein weiteres Indiz für Horus’ Heilkraft bietet ein Ostrakon aus der Ramessidenzeit, auf dem wir folgenden Text lesen:
„So kann Horus durch seine Zauberworte den Fiebernden und Kranken gesund machen.“
Manchmal wirkten Heilgötter auch durch suggestiv-therapeutische Maßnahmen. Ein Beschwörungstext aus dem Papyrus Ebers, der sich auf die magischen Kräfte des Ibis bezieht, soll bei Gebärmuttersenkung helfen oder diese rückgängig machen.
Wir kennen den Ibis bereits als einen dem Gott Thot geweihten Vogel; die erhoffte Heilwirkung sollte durch dessen magische Kräfte verstärkt werden.

Imhotep
An dieser Stelle und im Zusammenhang mit den anderen Gottheiten der Heilkunst im alten Ägypten darf der Name einer historischen Persönlichkeit nicht fehlen: Imhotep. Es ist erstaunlich, daß ein Mensch noch in der geschichtlichen Spätzeit Altägyptens vergöttlicht und als Heilgott verehrt wurde
Imhotep war ein Zeitgenosse des Königs Djoser (um 2600 v. Chr.), der ihn beauftragte, die erste Stufenpyramide von Saqqara aus behauenen Steinen zu errichten. Imhotep hatte viele Ämter am Hofe inne, u.a. wirkte er als Baumeister, Hoher Priester und Schriftgelehrter. Im Neuen Reich opferten ihm die Schreiber, damit er sie an seiner Genialität und Weisheit teilhaben ließe. Eine Persönlichkeit von solchem Rang und ausgestattet mit solch hohen Titeln mußte als übernatürlich gelten, hatte es bis dahin doch noch keinen Menschen mit so erstaunlichen Fähigkeiten in der Geschichte gegeben. Ein Mensch, versehen mit anscheinend übersinnlichen Kräften, wurde noch in der Spätzeit, etwa am Ende des 4. Jh. v. Chr., zum Heilgott erhoben und als solcher verehrt.
Nach seinem Tode findet sich in altägyptischen Quellen so manche Textstelle, die ihn mit der Heilkunst in Verbindung bringt:
„Imhotep als wohltätiger Gott erhört die Bitte und gibt allen Menschen ... seinen Schutz, das Leben.“ „Er sorgt für die Kranken, indem er ihre Glieder heilt, und er kann Kindersegen verleihen.“
Entscheidende Hinweise auf Imhoteps medizinische Funktion gewinnen wir aus der Überlieferung, daß viele Menschen die ihm geweihten Tempel aufsuchten und um Heilung von Krankheiten baten oder Rettung aus der Not erflehten. Imhoteps Ansehen wurde dadurch als Heilgott fest begründet. Sein Ruf verbreitete sich schnell.
In der Spätzeit sahen Griechen, die nach Ägypten kamen, in Imhotep ihren eigenen Heilgott Asklepios und setzten beide gleich unter dem Namen „Asklepios-Imouthes“.

Gottheiten als Beschützer des Kindes
Nicht nur Erwachsenen, sondern auch Kindern galt der Beistand der heilenden und helfenden Gottheiten. Eine Textstelle aus dem Papyrus „Zaubersprüche für Mutter und Kind“ erzählt:
„Dein Scheitel ist Re, Du gesundes Kind, Dein Hinterkopf ist Osiris, Deine Stirn ist Satis, Deine Schläfe ist Neith, Deine Augenbrauen sind der Herr des Ostens, Deine Augen sind der Herr der Menschheit, Deine Nase ist der Ernährer der Götter, Deine Ohren sind die beiden Königsschlangen, Deine Ellbogen sind die lebenden Sperber, Dein Arm ist Horus, der andere ist Seth, Deine Lunge ist Min, Deine Milz ist Suchos, Deine Leber ist Harsaphes von Herakleopolis, Dein Nabel ist der Morgenstern, Dein Bein ist Isis, das andere ist Nephthys ... kein Glied von Dir ist ohne seinen Gott, jeder Gott beschützt Deinen Namen und alles, was von Dir ist ...“.

Heilmittel für die Götter
Neben den Menschen nutzten die „göttlichen“ Heilmittel auch Götter selbst oder bedurften ihrer heilenden Kraft: Die medizinischen Papyri Ebers und Hearst enthalten „Heilmittel, die Re für sich gemacht hat“, und solche, die „Schu für sich gemacht hat“. Ein Heilmittel, das „Tefnut, Geb, Nut und Isis für Re selbst hergestellt haben“. Dazu kommt ein weiteres Medikament, das „von Isis für Re selbst gemacht wurde, um die Krankheit aus seinem Kopf zu vertreiben.“

Zaubersprüche und Arzneizubereitung
Es ist öfters beobachtet worden, daß während der Arzneizubereitung oder bei deren Verabreichung Zauberformeln gesprochen wurden:

„Spruch beim Trinken eines Heilmittels:
Es kommt das Heilmittel, es kommt das, was die Dinge in diesem, meinem Herzen, in diesen, meinen Körperteilen beseitigt. Stark ist der Zauber in Verbindung mit dem Heilmittel – und umgekehrt.
Erinnerst Du Dich denn daran, daß Horus zusammen mit Seth zu dem großen Palast von Heliopolis gebracht wurde, als man über die beiden Hoden des Seth mit Horus verhandelte? Dann war er frisch, wie er auf Erden war; er macht nun wieder alles, was er will, wie diese Götter, die dort sind.
Beim Trinken eines Heilmittels außerdem zu sprechen:
Wirklich vorzüglich, millionenmal.“ (Pap. Ebers 3).
Mit Hilfe solcher Zaubersprüche sollten die Dämonen vertrieben und, wenn den Göttern geopfert wurde, die Menschen vor bösen Geistern geschützt werden. Jene Zauberrituale bezogen sich teilweise auf Begebenheiten aus dem Leben der Götter, durch deren Rezitation eine magische Heilung erhofft wurde. Es half z.B. Isis mit Zaubersprüchen anderen Gottheiten, aber auch Menschen selbst, wodurch sie ihren Beinamen „die Zauberreiche verdiente. Man bat sie um Hilfe bei Brandwunden; sie hatte einst ihren Sohn Horus vor den Flammen (= auch Fieber) errettet. 13
Über die Behandlung einer Brandwunde lesen wir:
„Horus war ein Kind im Innern des Nestes. Ein Feuer (= Fieber) oder eine Entzündung hatte seinen Körper befallen; nicht kannte er es, nicht kannte es ihn. Nicht war seine Mutter da, daß sie es beschwöre; sein Vater hatte sich aufgemacht, spazierenzugehen. Der Sohn war klein, das (Feuer) war stark. Nicht gab es jemanden, der ihn vor ihm (dem Feuer) rettete. Da kam Isis aus dem Innern des Arbeitshauses heraus zur Zeit, da sie ihren Faden löste:
Komm, meine Schwester Nephthys, mit mir, begleite mich! Ich war taub, mein Faden umfing mich. Gib mir meinen Weg, daß ich mache, was ich verstehe, daß ich es (das Feuer) ihm lösche mit meiner Milch, mit dem gesunden (d.h. heilenden Wasser), das inmitten meiner Brüste ... ist. Ich veranlasse, daß das Feuer (zurück)weicht.“

Bei Anwendung dieser Zauberformel wurde das Medikament zubereitet:
„Dornakazie, Teig aus Gerste, Hülsenfrüchte gekocht, Koloquinthe; es werde zu einer Masse geknetet, es werde mit der Milch einer Mutter, die einen Knaben geboren hat, vermischt. Es werde an die Verbrennung gegeben, so daß sie heilt. Du mögest sie verbinden mit einem Blatt der Rhizinuspflanze.“
Eine weitere Zauberspruch-Variante schildert, wie die Göttin Isis ihrem Sohn Horus zu Hilfe eilte, als er sich in der Wüste verbrannte. Da es dort an Wasser mangelte, konnte Isis als „Zauberreiche“ ihren Speichel ... zum Löschen verwenden. Die nachfolgende Zauberformel wurde während der Herstellung des Medikaments gesprochen:
„Milch einer Frau, die einen Knaben geboren hat, und Gummi und das Haar eines Widders. – Das Ganze soll am ersten Tage auf die verbrannte Körperstelle gelegt werden.“
Ferner wurde auch Gott Thot bei einer Erkrankung, die rationale und magische Praktiken erforderte, angerufen. Die betreffenden Beschwörungsworte gegen Schnupfen finden sich im Papyrus Ebers:
„... Beschwörung des Schnupfens:
Du mögest ausfließen, Schnupfen, Sohn des Schnupfens, der die Knochen zerbricht, der den Schädel zerstört, der im Knochenmark hackt, der bewirkt, daß krank werden die sieben Öffnungen im Kopf der Gefolgsleute des Re, die sich betend an Thot wenden.
Siehe, ich habe Dein Heilmittel gegen Dich gebracht, Dein Schutzmittel gegen Dich: Milch einer, die einen Knaben geboren hat; duftender Gummi. Das Heilmittel beseitigt Dich; es entfernt Dich – und umgekehrt. Komm’ heraus auf die Erde, verfaule, verfaule, viermal. Werde gesprochen über ..., Milch einer, die einen Knaben geboren hat; duftender Gummi; werde in die Nase gegeben.“
Die Papyri Hearst und Ebers erwähnen einen Spruch, der beim Auftragen eines Medikaments auf mehrere kranke Körperstellen empfehlenswert war:
„Ich bin herausgekommen aus Heliopolis zusammen mit den Großen des Großen Hauses, den Herren des Schutzes, den Herrschern der Ewigkeit. Und auch ich bin herausgekommen aus Sais zusammen mit der Mutter der Götter. Sie haben mir ihren Schutz gegeben. Ich bin einer, von dem Gott will, daß er mich am Leben erhält.“

Abschließend entnehmen wir einer der Götterlegenden die Beschreibung eines schnell wirkenden Giftes. Es handelt sich um die Vergiftung des Gottes Re durch die Göttin Isis. Isis sticht den Sonnengott Re mit einer vergifteten Spitze, um seinen geheimen Namen zu erfahren. Sie verspricht ihm, sobald sie seinen Namen erfahren hätte, ihn vom Gift zu befreien. Doch Re ist außerstande, irgend etwas zu verraten, er schreit nur laut auf vor heftigen Schmerzen:
„Nicht fand er seinen Mund, um darauf zu antworten, indem seine Lippen zuckten und alle seine Glieder zitterten.“
Als die Wirkung etwas nachläßt, spricht Re:
„Ich kostete nichts so Schmerzhaftes wie dies, es gibt nichts Krankhafteres als dies ... Mein Herz hat Hitze. Mein Körper zittert. Alle meine Glieder haben Schüttelfrost. Ich bin kälter als Wasser. Ich bin heißer als Feuer. Mein ganzer Körper ist mit meinem Schweiß bedeckt. Meine Augen zittern, ohne fest zu bleiben. Ich kann nicht klar sehen. Der Himmel regnet auf mein Gesicht (gemeint ist: der Schweißausbruch) inmitten der regenlosen Zeit ... das Gift brennt ..., und zwar mächtiger als Flamme und Feuer.“
Dann gibt der Gott endlich seinen geheimen Namen preis, die Wirkung des Giftes verschwindet. – Wir treffen hier auf eine hervorragende Schilderung einer akuten Vergiftung mit vermutlich Skorpiongift, zumal am Ende der Göttersage ein Rezept gegen dieses Gift erscheint.
Zusammenfassend dürfen wir feststellen, daß das Wesen der altägyptischen Heilkunde größtenteils von einem empirisch-rationalen Wissen bestimmt war. Doch auch religiösmagische Praktiken besaßen ihre Gültigkeit, ja sie wurden als Behandlungsalternative betrachtet. Wir können uns gut vorstellen, daß manche Kranke einen Arzt um Rat fragten, andere einen Priester aufsuchten und wieder andere Heilung durch Zauberformeln erhofften.

 



1 Peet, T. Eric: A comparative study of the Literatures of Egypt, Palestine and Mesopotamia. London 1931, S. 89-91.
2 Assmann, Jan: Ägyptische Hymnen und Gebete. Zürich-München 1975. Nr.148. Z1. 46-54.
3 p London 22 = (IV 60; V 103).
4 Roeder, Günther: Urkunden zur Religion des alten Ägypten. Jena 1915 (Nachdruck Düsseldorf Köln 1978). S. 83, 91-92.
5 Junker, Hermann: Die Onurislegende. Wien 1917, S. 132-138.
6 Sethe, Kurt: Amun und die acht Urgötter von Hermopolis. Berlin 1929. § 122
7 Assmann, Jan: Ägyptische Hymen und Gebete. Zürich-München 1975. Nr.194 u.195.
8 dito
9 Bonnet, Hans: Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte (= RÄRG), Berlin 1952. S. 531.
10 Ermann, Adolf: Zaubersprüche für Mutter und Kind. Berlin 1901. S. 24.
11 Westendorf, Wolfhart: Erwachen der Heilkunst. Die Medizin im Alten Ägypten. München 1992, S. 194.
12 Ermann, Adolf: „Zaubersprüche für Mutter und Kind“. Berlin 1901, S. 48.
13 Schäfer, Heinrich: Ein Spruch gegen Brandwunden aus dem Pap. Ebers. ZÄS 36 (1898), S. 129-131.
14 p London 46 = (IV 214; V 372).
15 p Eb 499 = (IV 215; V 373).
16 p Eb 763 = (IV 64; V 109).
17 p Eb 1 = p H 78 = (IV 308; V 530).

 



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