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Reduziertes Glutathion in der Onkologie

Publiziert in AKODH-INTERN 1999; 4: 82, SynMed Verlag Berlin.
Manfred D. Kuno, Berlin

Glutathion ist ein körpereigenes Tripeptid, bestehend aus den Aminosäuren Glycin, Cystein und Glutaminsäure. Es spielt in der Oxidation menschlichen Gewebes eine zentrale Rolle und wirkt (ähnlich wie die Vitamine C und E) als Antioxidanz und Neutralisator gegenüber aggressiven Freien Radikalen [ Siems et al. 1996, Ohlenschläger 1991, 1994] . Der Unterschied zu den zuletzt genannten Substanzen besteht in einer erheblich höheren Potenz des Glutathion. Gleichzeitig kann Glutathion über Konjugatbildung Xenobiotika entgiften. In Toxikologiebüchern wird Glutathion eine Reihe von Entgiftungs- bzw. Antidotwirkungen zugeschrieben: Es wird (neben Äthylendiamintetraessigsäure/EDTA, Cysteamin, Cystein und Serotonin) als eines der potentesten Strahlenschutzmittel aufgeführt, antidotiert Arsen und Schwermetalle [ Hauschild 1960] . Glutathion besitzt eine stark detoxifizierende Wirkung auf das Leberparenchym. In der japanischen und angelsächsischen Literatur sind der medikamentösen Gabe von Glutathion mehrfach tumorhemmende Wirkungen nachgewiesen worden [ Diksthein und Vasilenko 1979, Ductu et al. 1979, Karmali 1984] , vor allem bei Lebertumoren [ Matsuno 1991, Dalhoff et al. 1992, Kawano et al. 1984] . Eine neuere Arbeit belegt die Apoptose-induzierende Wirkung von Glutathion [ Donnerstag et al. 1996] . Das Problem ist hier die ausreichend hohe Substitution reduzierten Glutathions (reduziertes Glutathion ist äußerst labil und geht bei Kontakt z. B. mit Sauerstoff oder Magensäure schnell in die oxidierte, und damit unwirksame Form über). In der Literatur werden intravenöse/intratumorale Dosierungen von 1-5 g red. Glutathion in der Tumortherapie angegeben [ Dalhof et al. 1992] . Für Italien liegt seit längerem ein Injektionspräparat mit 300 bzw. 600 mg red. Glutathion zur i. v.- bzw. i. m.-Applikation vor (Tationilâ , Boehringer Mannheim, Italia), welches als begleitendes neuroprotektives Präparat in der Cisplatin-Chemotherapie angewandt wird. Für Deutschland ist eine Einfuhr über die Apotheke möglich, allerdings unterliegt es gem. § 13 (7) AMG der ärztlichen Verschreibungspflicht. Als orale Applikationsform ist hochdosiertes Glutathion als einzeln angefertigtes Arzneimittel in Deutschland erhältlich (red. Glutathion + beta-Cyclodextrin: Red-Oxâ System-Tbl. der Firma Mentop Pharma, Schleswig). Apotheken, die nicht in der Lage sind, reduziertes Glutathion und beta-Cyclodextrin in Tabletten zu verarbeiten, können diese Anfertigung bei oben angeführter Firma vornehmen lassen. Desweiteren ist Glutathion auch als Nahrungsergänzung erhältlich, wobei Überprüfungen in einem Labor ergeben haben, daß die Wirkstoffgehalte oftmals sehr schwanken, teilweise reduziertes Glutathion überhaupt nicht nachweisbar war. Die Wirksamkeit ist stark abhängig von dem Schutz des red. Glutathion v. a. vor äußeren Einflüssen. Dieses macht die Anfertigung von Glutathionzubereitungen oftmals etwas komplizierter als bei anderen Präparaten. Der Schutz vor Luftsauerstoff und Magensäure stehen hierbei im Vordergrund. Eigene Erfahrungen in der Praxis mit der oben beschriebenen Red-Oxâ Rezeptur haben v. a. bei Patienten mit Leberparenchymbelastungen (z. B. durch toxische Therapien), Lebertumoren und Lebermetastasen erste ausgezeichnete Ergebnisse gezeigt. Eine entsprechende Publikation hierzu ist in Vorbereitung. Aus Italien weist eine erste kontrollierte klinische Studie eine signifikante Schutzwirkung des red. Glutathion gegenüber Cisplatinhaltiger Kombinationschemotherapie bei gleichzeitiger Verbesserung der Rate von Tumorrückbildungen aus: In einer prospektiven, randomisierten Doppelblindstudie an fünfzig Patienten mit fortgeschrittenem Magenkarzinom wurde eine Kombinationschemotherapie mit Cisplatin, 5-Fluorouracil, Epidoxorubicin und Leucovorin verabreicht. In der Glutathiongruppe (n=25) wurde parallel vor jedem Chemotherapiezyklus 1,5 g/m red. Glutathion intravenös (gelöst in 100 ml phys. NaCl) sowie zusätzlich jeweils 600 mg red. Glutathion intramuskulär am zweiten und fünften Tag der Chemotherapie appliziert. Die Kontrollgruppe erhielt stattdessen lediglich physiologische Kochsalzlösung. Die Ergebnisse zeigten in der Glutathiongruppe deutlich weniger und geringere Neurotoxizität (keine Nebenwirkungen in der Glutathiongruppe gegenüber 16 Patienten mit Nebenwirkungen in der Kontrollgruppe nach 9 Wochen Therapie, 4 Patienten mit Nebenwirkungen in der Glutathiongruppe gegenüber 16 Patienten mit Nebenwirkungen in der Kontrollgruppe nach 15 Wochen Therapie). Im Vergleich des Ansprechens auf die Chemotherapie (Tumorresponse) zeigten die glutathionbehandelten Patienten ebenfalls deutlich bessere Ergebnisse: 20 % komplette Remission der Glutathiongruppe gegenüber 12 % in der Kontrollgruppe, 56 % Teilremission in der Glutathiongruppe gegenüber 40 % in der Kontrollgruppe. Die Autoren empfehlen auf Grund dieser Ergebnisse weitere Prüfungen des Einsatzes von red. Glutathion im Rahmen der cisplatinhaltigen Chemotherapie [Cascinu et al., 1995].


 Korrespondenzanschrift:

Manfred Kuno
Peter-Strasser-Weg 35
12101 Berlin
Tel. 785 71 51
Fax. 785 82 12

e-mail: info@akodh.de


Literatur

  1. Cascinu S, Cordella L, Del Ferro E, Fronzoni M, Catalano G. Neuroprotective Effect of Reduced Glutathione on Cisplatin-Based Chemotherapy in Advanced Gastric Cancer. A Randomized Double-Blind Placebo-Controlled Trial. J. Clin. Oncol. 1995; 1(13): 26-32.
  2. Dalhoff K, Ranek I, Mantoni M, Poulsen HE. Glutathione Treatment of Hepatocellular Carcinoma. Liver 1992; 12: 341-3.
  3. Dikshtein EA, Vasilenko IV. Oxireductase Actitity in the Cells of Stomach Cancer. Vaprosi Onkologij 1979; 25.
  4. Donnerstag B, Ohlenschläger G, Cinatl J, Amrani M, Hofmann D, Flindt S, Treusch G, Träger L. Reduced Glutathione and S-Acethylglutathione as Selective Apoptosis-inducing Agents in Cancer Therapy. Canc. Lett. 1996; 10: 63-70.
  5. Ductu R et al. Histochemical Petterns in Human Breast Tumors. Acta Histoch. 1979; 64.
  6. Hauschild F. Pharmakologie und Grundlagen der Toxikologie. Leipzig: Thieme, 1960: 348, 448.
  7. Karmali RA. Growth Inhibition and Prostaglandine Metabolism in the R3230AC Mammary Adenocarcinoma by Reduced Glutathione. J. Cancer Bioch. Biograph. 1984; 7: 147-54.
  8. Kawano N, Nagao T, Setoyama R, Morioka Y. Remarcable Regression of Hepatocellular Carcinoma by Reduced Glutathione. A Case Report. Acta Hepatol. 1984; 25: 1468-73.
  9. Matsuno T. Pathway of Gluthamate Oxidation and its Regulation in the HuH13-Line of Human Hepatoma cells. Journ. Cell Phys. 1991; 148: 290-4.
  10. Ohlenschläger G. Das Glutathionsystem. Heidelberg: Verl. f. Med. Dr. E. Fischer, 1991.
  11. Ostendorf PC, Seeber S. Hämatologie, Onkologie. München: Urban & Schwarzenberg, 1997.
  12. Siems WG, Krämer K, Grune T. Zur Chemie und Biologie des Glutathionsystems: ein Überblick. Pharm. Z. 1996; 45 (141): 4239-48.
  13. Siems WG, Krämer K, Grune T. Störungen im Glutathionsystem und klinische Konsequenzen. Pharm. Z. 1996; 46 (141): 4343-52.


Anschriften der Autoren:

Michael Martin, Schöne Aussicht 14, 65232 Taunusstein (e-mail: McMrtn@AOL.com)

Manfred D. Kuno, Mommsenstr. 55, 10629 Berlin (e-mail: info@akodh.de)

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