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zurück ... Darreichungsform Tee
am Beispiel Weißdornblätter mit Blüten
von Odette Klensch, Bad Säckingen und Dr. Astrid Nagell, Hamburg
Vorbemerkung
Die Kommission E hat bislang ca. 300 Monographien von Drogen erstellt. Bei    der Überarbeitung von publizierten Monographien gehen jedoch neuerdings das    Bundesgesundheitsamt und die Kommission E dazu über, nur noch definierte Extrakte    zu beschreiben. Das wissenschaftliche Erkenntnismaterial und die seit jeher    traditionelle Anwendung der Pflanze als Teezubereitung entfallen vollständig.    Da diese Vorgehensweise zu tiefgreifenden Konsequenzen für die Nachzulassung    der Altpräparate sowie für die Nutzung der publizierten Standardzulassung    führt, haben wir am Beispiel Weißdornblätter mit Blüten in Versuchen bewiesen,    daß auch mit einem Teeaufguß eine ausreichende Wirksamkeit erzielt wird. 
Aufgabenstellung
Da die wirksamkeitsbstimmenden Inhaltsstoffe von Crataegus in der alten sowie    in der überarbeiteten Monographie die Flavonoide (berechnet als Hyperosid    nach DAB) sind und die Dosierungsangaben auf diesen Wirkstoffen basieren,    wird in dem nachstehenden Versuch der Gehalt von Flavonoiden,
berechnet als Hyperosid, an folgenden Darreichungsformen bestimmt und entsprechende    Auswertungen vorgenommen:
- an der für das Fertigarzneimittel eingesetzten Droge (Weißdornblätter mit    Blüten)
- an dem daraus hergestellten Teeaufguß (1 Teebeutel auf 150 ml Wasser, Versuch    A und B)
- Berechnung der Übergangsrate der Flavonoide aus der Droge in den Teeaufguß
- Vergleich der erhaltenden Ergebnisse mit der von der Kommission E vorgeschlagenen    Tagesdosis.
Ausgangsmaterialien und andere Angaben
Eingesetzte Materialien
Weißdornblätter mit Blüten der Firma Sidroga, sechs verschiedene Chargen.
E-Monographie (1984)
Dosierung: Mindest-Tagesdosis: 5 mg Flavone, berechnet als Hyperosid nach
DAB.
Überarbeitete Monographie
Dosierung: Tagesdosis 160 - 600 mg nativer wäßrig-alkoholischer Auszug
entsprechend 3,5 - 13,2 mg Flavonoide, berechnet als Hyperosid nach DAB.
Standardzulassung
Dosierung: Ein Teelöffel voll Weißdornblätter mit Blüten wird mit heißem
Wasser (ca. 150 ml) übergossen und nach etwa 20 Minuten durch ein Teesieb
gegeben. Soweit nicht anderes verordnet, wird 2 - 3 mal täglich eine Tasse
frisch bereiteter Tee getrunken.
Anmerkung:
Ein Teelöffel voll Weißdornblätter mit Blüten entspricht etwa 1,75 g.
Experimenteller Teil
Droge:
Der für die Teebeutel (Fertigarzneimittel) hergestellte Feinschnitt aus Weißdornblättern    mit Blüten wird nach DAB geprüft. ....
Herstellung des Teeaufgusses:
Um Unterschiede bei der Übergangsrate der Inhaltsstoffe in den Teeaufguß feststellen    zu können, wurden zwei verschiedene Aufarbeitungen der Teezubereitung durchgeführt.
- Versuch A:
Ein Teebeutel wurde mit heißem Wasser (ca. 150 ml) übergossen. Nach 20 Minuten    Ziehen wurde der Beutel schwach ausgedrückt und herausgenommen (in Anlehnung    an die Standardzulassung).
Versuch B:
Ein Teebeutel wurde mit 150 ml siedendem Wasser übergossen und abgedeckt.    Nach 5 Minuten wurde der Teebeutel 2 Minuten im Aufguß hin und her geschwenkt.    Dieser Vorgang wurde anschließend im 5minütigen Rhythmus wiederholt. Der Teebeutel    wurde nach insgesamt 20 Minuten schwach ausgedrückt und herausgenommen. Während    der 5minütigen Ruhepause wurde die
Teetasse abgedeckt.
Durchführung der Bestimmung:
(Bestimmungsmethode nach DAB 10):
Zu dem erhaltenen Teeaufguß wurde 0,4 ml Polydimenthylsiloxan R (Antischaum-Lösung)    hinzugegeben und die Lösung bei maximal 60 °C am Rotationsverdampfer bis zur    Trockne eingeengt. Der Rückstand wurde in 5 ml Wasser erneut gelöst und nach    DAB (Gehaltsbestimmung von Weißdornblättern mit Blüten) aufgearbeitet. Die    Berechnung erfolgt nach der allgemeinen Formel:
Gehalt an Flavonoiden, berechnet als a x 10 x 100 Hyperosid = b x 500 x 4
a = Absorption der Untersuchungslösung
b = Einwaage der Prüfsubstanz in g
10 = Verdünnungsschritt
Die Resultate (Mittelwerte) "Gehalt an Flavonoiden im Teeaufguß"    und "Übergangsraten der Flavonoide aus der Droge in den Teeaufguß"    sind in den Tabellen 1 - 2 zusammengefaßt.
Umrechnung der Untersuchungsergebnisse auf die Einzel- bzw. Tagesdosis der    E-Monographie sowie des überarbeiteten Entwurfs anhand der Dosierungsanleitung    der Standardzulassung.
Forderung:
Alte Monographie: Mindesttagesdosis 5 mg Flavone, berechnet als Hyperosid    nach DAB.
Überarbeitete Monographie: Tagesdosis 3,5 - 13,2 mg Flavonoide, berechnet    als Hyperosid nach DAB.
Ergebnis:
- Versuch A:
Einzeldosis: 2,40 mg Flavonoide, berechnet als Hyperosid nach DAB.
Tagesdosis: 4,80 - 7,20 mg Flavonoide, berechnet als Hyperosid nach DAB.
- Versuch B:
Einzeldosis: 3,37 mg Flavonoide, berechnet als Hyperosid nach DAB.
Tagesdosis: 6,74 - 10,11 mg Flavonoide, berechnet als Hyperosid nach DAB.
Auswertung und Diskussion der Ergebnisse
Die Resultate beider Versuchsanordnungen zeigen, daß bezüglich der wirksamkeitsbestimmenden    Inhaltsstoffe (Flavonoide) die in den E-Monographien (alt und überarbeiteter    Entwurf) angegebenen
Dosierungsmengen erzielt werden. Die erhaltenen Ergebnisse in Versuch A und    B zeigen weiterhin, daß bei hohem Flavonoidgehalt in der Droge auch die Übergangsrate    höher ist. Die in Versuch A ermittelten Einzelwerte aus einer Charge unterlagen    größeren Schwankungen und wiesen insgesamt auch eine niedrige Übergangsrate    im Vergleich zu Versuch B auf. Eine höhere und gleichbleibendere Flavonoidkonzentration    wurde hingegen im Versuch B erreicht. Die Ergebnisse von Versuch B könnten    zur Formulierung der Dosierungsanleitung (Standardzulassung) herangezogen    werden, indem
zusätzlich darauf hingewiesen wird, daß der Teebeutel während des 20minütigen    Ziehens in regelmäßigen Abständen im Aufguß hin und her geschwenkt werden    soll. Diese Form der Zubereitung würde auch den "natürlichen" Schwankungen    des Flavonoidgehaltes in der Ausgangsdroge besser Rechnung tragen. 
Da bei der Gehaltsbestimmung nach DAB 10 sowohl in der Droge als auch in der    Drogenzubereitung dieselben Wirkstoffe erfaßt werden, kann ein direkter Vergleich    des Flavonoidgehaltes und somit der Dosierung zwischen Droge, Teeaufguß und    Drogenzubereitung erfolgen.
Eine Drogenzubereitung (z.B. Extrakte gemäß überarbeitetem Monographie-Entwurf)    stellt als solche und für sich allein betrachtet keine Darreichungsform dar.    Daher müssen die Ergebnisse des Teeaufgusses auch mit verschiedenen Arzneiformen,    in welchen schlußendlich der beschriebene
Extrakt verabreicht wird, verglichen werden.
Für die Wirkung der Inhaltsstoffe (Flavonoide) dieser Darreichungsformen spielen    die Freisetzungsprofile aus der entsprechenden Arzneiform eine wesentliche    Rolle. Diese Aufgaben fehlen jedoch gänzlich in dem überarbeiteten Monographie-Entwurf.    Es ist daher davon auszugehen, daß bei
der Festlegung des Monographie-Entwurfes bereits ein ganz bestimmtes Präparat    zugrunde gelegt worden ist und lediglich Teilangaben (Klinik, Dosierung) aus    den Untersuchungsergebnissen dieses Präparates in den Entwurf aufgenommen    wurden. Im Vergleich mit festen Arzneiformen sind die
wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe bei der Darreichungsform "Tee"    sofort nach Bereitung des Teeaufgusses verfügbar, während bei der festen Arzneiform    diese erst freigesetzt werden müssen.
Vergleich mit flüssigen Darreichungsformen (Tropfen)
Diese Arzneiform ist mit der Darreichungsform "Tee" bzw. mit dessen    Zubereitungsart "Teeaufguß" direkt vergleichbar. In beiden Fällen    liegt der Wirkstoff in gelöster Form vor und ist sofort verfügbar.
Trotzdem weist ein Tee Vorteile gegenüber flüssigen Darreichungsformen auf.    Die Inhaltsstoffe sind in der Droge "geschützt" und unterliegen    keinen Zersetzungen. Dies konnte durch Stabilitätsuntersuchungen auf gleichbleibendes    DC-Fingerprintchromatogramm über Jahre nachgewiesen werden. Auch sind die    Gehaltsabnahmen relativ gering. Bei der Darreichungsform "Tropfen"    liegen die Wirkstoffe in gelöster Form vor, wobei Umsetzungs- bzw. Abbauprodukte    nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. Auch unterliegt diese Arzneiform    vor allem nach Anbruch des Behältnisses zusätzlichen Einflüssen. Der Tee ist    jedoch bis zur Anwendung durch den Patienten in einzelnen Beuteln trocken    verpackt.
Zusammenfassung
Eine Überarbeitung der Crataegus-Monographie im Sinne des Entwurfs ist in    keiner Weise erforderlich, zumal die Zubereitungen in der alten Monographie    Berücksichtigung finden (Bezeichnung des Arzneimittels: Blätter mit Blüten    und/oder Früchte sowie deren Zubereitung in wirksamer Dosierung/Art der Anwendung:    In flüssigen oder festen Darreichungsformen zur oralen 
Applikation und als Injektionslösung zur parenteralen Applikation). Die Arzneimittelsicherheit    und Verträglichkeit sowie die Wirksamkeit wird durch eine Drogenzubereitung    nicht verbessert. (Im Gegenteil, bei einer Zubereitung (Trocken-, Flüssigextrakt)    ist immer ein Trägerstoff
erforderlich, welcher beim Teeaufguß lediglich Wasser ist. Das Freisetzungsprofil    aus der Arzneiform spielt zudem eine wesentliche Rolle. Sicherlich haben spezielle    Drogenzubereitungen oft Vorteile gegenüber relativ einfachen Darreichungsformen    wie z.B. "Tee". In diesem vorgenannten
speziellen Fall zeigt sich jedoch, daß nicht immer aufwendige Drogenzubereitungen    erforderlich sein müssen. Die Autorinnen sind sich darüber im klaren, daß    der Gehalt an Flavonoiden, berechnet als Hyperosid, im Teeaufguß aufgrund    der natürlichen Schwankungen in der Droge ebenfalls Schwankungen unterliegt.    Der Teeaufguß kann somit nicht als "normiertes" Getränk angesehen    werden. Ob dieses zwingend erforderlich ist, sollte in Anbetracht des Patienten    (Alter, Größe,
Körpergewicht), der traditionellen Anwendung und auch der von der Kommission    E selbst vorgenommenen Bandbreite (Tagesdosis: 3,5 - 12,5 mg Flavonoide, berechnet    als Hyperosid) relativiert werden.
Aufgrund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse des Flavonoidgehaltes in    der Droge und im Teeaufguß - im Vergleich mit der Dosierungsanforderung bezüglich    der wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe im überarbeiteten E-Monographie-Entwurf    von Weißdornblättern mit Blüten - müssen die
Verschreibung der Droge und die Darreichungsform bzw. Zubereitung "Tee"    in der E-Monographie beibehalten werden. Die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit    der Darreichungsform "Tee" ist somit begründet.
Mit freundlicher Genehmigung aus: Deutsche Apotheker-Zeitung,134. Jahrgang,
Nr. 32, 1994
Naturheilpraxis 01/99




